Prostatabiopsie: Ultraschall- oder besser MRT-gesteuert?

Pam Harrison | 22. März 2013

Autoren und Interessenskonflikte

Wien – Gleich 2 neue Studien möchten der mittels Magnetresonanztomografie (MRT) gesteuerten Biopsie der Prostata bescheinigen, dass sie eine sichere und wirksame Alternative zur Steuerung durch transrektalen Ultraschall darstellt. Sie würde außerdem von den Patienten bevorzugt, weil sie sie als angenehmer empfinden.

„Das Problem des transrektalen Ansatzes: Bedeutsame Krebsherde werden verfehlt, unbedeutende eher zufällig entdeckt. Überdies besteht das Risiko des Undergrading von Läsionen”, erklärte Dr. Stephan Polanec als Studienleiter von der Medizinischen Universität Wien in Österreich gegenüber Medscape Medical News.

„Die MRT-gesteuerte Biopsie ist eine zielgerichtete, punktgenaue Biopsie mit höherer Detektionsrate. Sogar Krebsherde im vorderen Bereich der Prostata werden entdeckt, was der transrektale Ansatz hingegen nicht vermag”, erklärte er auf dem Europäischen Radiologiekongress, der Anfang März in Wien stattfand.

Dieser Vergleich zwischen 2 Verfahren greift in den Augen von Dr. med. Ulrich Witzsch, der als Urologe am Krankenhaus Nordwest in Frankfurt langjährige Erfahrung bei der Diagnostik von Veränderungen der Prostata aufweist, zu kurz, weil es noch andere, Ultraschall-überwachte Zugänge gibt: „Die perineale Biopsie wird hier gar nicht erwähnt“, kritisiert er auf Nachfrage gegenüber Medscape Deutschland. Er betont weiter: „Gerade die perineale Mappingbiopsie ergibt eher ein komplettes Bild der Prostata, ventrale Karzinome werden hier auch nachgewiesen.“  

In ihrer ersten Studie analysierten Polanec und seine Mitarbeiter 44 Biopsien von 41 Patienten, die zunächst mittels multiparametrischer MRT als verdächtig eingestuft worden waren. Das durchschnittliche Patientenalter betrug 65 Jahre, der mittlere prostataspezifische Antigenspiegel (PSA) lag bei 8,17 ng/ml. Bei sämtlichen Patienten hatte zuvor mindestens eine Untersuchung mittels ultraschallgesteuerter Biopsie ein negatives Resultat erbracht.

Polanec erklärte, dass die Patienten zur Durchführung der MRT-gesteuerten Biopsie auf dem Bauch gelagert werden, transrektal führe man eine 18-G-Nadel (ø 1,2 mm) ein und entnehme etwa 3 bis 4 Biopsiekerne.

MRT-gesteuerte Biopsie: Präziser?

Bei 11 Patienten wurden mittels MRT-gesteuerter Biopsie in einer 1,5 Tesla MRT-Einheit maligne Läsionen entdeckt; bei den übrigen 30 Patienten waren die Befunde negativ, auch während der aktiven Überwachungsphase konnte kein Prostatakarzinom festgestellt werden. Die Nachbeobachtungszeit  betrug im Mittel 36 Monate.

Von diesen 11 Patienten wiesen 5 einen Gleason-Score von 6 auf, 4 Patienten Score 7, 1 Patient Score 8 und 1 weiterer Teilnehmer Score 9. Bei 9 Patienten wurde das Karzinom in der peripheren Zone identifiziert, bei einem Patienten in der Transitionalzone, bei einem weiteren zentral.

„Ich glaube zwar nicht, dass die MRT-gesteuerte Biopsie den transrektalen Ansatz ersetzen wird. Aber wenn ich selbst der Patient wäre, würde ich die multiparametrische MRT in Kombination mit der MRT-gesteuerten Biopsie bevorzugen, da die Anzahl der benötigten Biopsiekerne geringer und die Diagnostik somit einfach angenehmer ist”, erklärt Polanec.

Witzsch gibt jedoch den immensen Aufwand zu bedenken, den die MRT erfordert. Außerdem bemängelt er als methodische Schwäche, dass letztendlich verschiedene Stufen in der Diagnostik-Kaskade übersprungen wurden. So kommt nach negativer Standardbiopsie noch eine Vielzahl von Verfahren in Frage (die computergestützte Auswertung mittels TRUS ANA, eine Elastografie oder das ambitionierte HistoScanning), die die Trefferrate verbessern helfen.

Dr. Jürgen Fütterer vom Medizinischen Zentrum der Radboud University Nijmegen in den Niederlanden  äußerte die Ansicht, dass der multiparametrische MRT-gesteuerte Ansatz eine wesentlich präzisere Option darstelle und deutlich weniger Biopsien für histopathologische Analysen erforderlich mache.

„Bei der MRT-gesteuerten Technik setzt man die Bildgebung zur exakten Führung der Nadel ein, und zwar zu dem mittels multiparametrischer MRT identifizierten Punkt, weshalb wesentlich weniger Biopsien notwendig sind; man stellt gleichzeitig sicher, dass man das Zielobjekt getroffen hat”, meinte Fütterer.

Auch hier hat Witzsch methodische Einwände, denn schließlich wurden die MRT-Befunde nicht durch ein anderes Verfahren nachuntersucht: „Man hätte zur Überprüfung des MRT ebenfalls einen Methodenwechsel vornehmen müssen, zum Beispiel Serienschnitte nach radikaler Prostatektomie.“ Außerdem gelte es, alle Karzinomherde zu untersuchen, insofern sei eine einzige Biopsie sicherlich nicht ausreichend. Das multiparametrische MRT übersehe insbesondere Herde geringerer Malignität.

Angenehmer als was?

Im Rahmen einer zweiten Studie verglichen der leitende Wissenschaftler Dr. Tobias Franiel von der Charité Universitätsmedizin Berlin mit seinen Mitarbeitern die Akzeptanz, unerwünschte Wirkungen und Komplikationen bei MRT-gesteuerter Biopsie mit dem über transrektalen Ultraschall kontrollierten Verfahren.

Die Wissenschaftler untersuchten 54 Patienten mit einem mittleren PSA-Wert von 12,1 ng/ml. Auch hier wiesen alle Patienten zuvor mindestens 1 negatives Ergebnis nach transrektaler ultraschallgesteuerter Biopsie auf, bei der 10 bis 12 Biopsiekerne gewonnen worden waren. Die Patienten unterzogen sich später einer MRT-gesteuerten Biopsie und wurden anschließend zu Dauer und Intensität der Schmerzen, unerwünschten Ereignissen und der bevorzugten Prozedur befragt.

„65% der Patienten gaben an, dass sie die MRT-gesteuerte Biopsie aufgrund geringerer Nebenwirkungen und der zu erwartenden besseren Ergebnisse gegenüber dem transrektalen Ansatz bevorzugten”, erklärte Franiel. Die Patienten schätzten Schmerzdauer und -intensität bei MRT-gesteuerter Biopsie signifikant geringer ein; 82% gaben an, sie würden diese Art der Biopsie zukünftig favorisieren. Die Komplikationsrate lag bei beiden Methoden relativ niedrig (jeweils 6%).

„Allerdings hat die Studie hinsichtlich Aussagekraft auch Grenzen”, räumte Franiel ein. Zunächst betrug das Intervall zwischen der ersten Prozedur und der nachfolgenden MRT-gesteuerten Biopsie im Mittel 13 Monate, was zugegebenermaßen „ziemlich lang“ sei, meinte er. Zweitens wurden die Patienten erst nach der MRT-gesteuerten Biopsie befragt und nicht unmittelbar nach dem transrektalen Ansatz.

„Es könnte durchaus sein, dass diese zwei Aspekte zu einer Verzerrung des Ergebnisses geführt haben”, hob er hervor. Hinzu kommt, dass sämtliche Patienten mindestens eine negative Ultraschallbiopsie gehabt hatten, weshalb sie zu diesem Ansatz negativ eingestellt gewesen sein könnten und zugleich einem MRT-gesteuerten Eingriff  eher wohlwollend gegenüberstanden.

Hinzu kommt, dass auch hier der Verzicht auf einen Vergleich zur perinealen Mappingbiopsie ein Defizit darstellt, auf das Witzsch ebenfalls aufmerksam macht: „Die Patienten empfinden sie als angenehmer gegenüber transrektalen Biopsien.“ Es gibt mithin mehr als nur eine einzige Alternative zur MRT-gesteuerten Biopsie.

Dieser Artikel wurde von Dr. Immo Fiebrig aus Medscape.com übersetzt und adaptiert.

Referenzen

Referenzen

  1. 2013 European Congress of Radiology (ECR), 7. – 11. März 2013, Wien. Abstracts B171 und B172
    http://www.myesr.org/cms/website.php?id=/en/ecr_2013.htm

Autoren und Interessenskonflikte

Pam Harrison
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Dr. Immo Fiebrig
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Polanec S, Franiel T, Fütterer J: Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Witzsch U: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

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