EKG-Screening für das Sportlerherz?

Rainer Klawki | 21. März 2013

Autoren und Interessenskonflikte

Auch wenn das Ereignis eines Plötzlichen Herztods im Sport selten ist, erfährt es doch große mediale Aufmerksamkeit. Nicht zuletzt deswegen darf beim Gesundheits-Check von Leistungssportlern das Ruhe-EKG nicht fehlen – sagen europäische Experten.

Nach Ansicht ihrer US-amerikanischen Kollegen ist diese von der Europäischen Kardiologengesellschaft (ESC) empfohlene Maßnahme als Screening-Untersuchung für alle Leistungssportler aber wenig sinnvoll. Der Dissens beruht nicht zuletzt darauf, dass die Zielgruppen für eine sportärztliche Untersuchung in beiden Kontinenten anderes definiert und dimensioniert sind.

 
Da prallen verschiedene Meinungen und Einschätzungen aufeinander.“
Prof. Klaus-Michael Braumann
 

Der Schlagabtausch geht schon seit längerem hin und her. Prof. Dr. med. Klaus-Michael Braumann, Abteilung für Sport- und Bewegungsmedizin der Universität Hamburg und derzeit Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP), verweist im Gespräch mit Medscape Deutschland darauf, dass die Frage nach dem prädiktiven Wert des EKG „in der Tat eine Diskussion ist, die wir in der Sportmedizin schon seit geraumer Zeit führen. Da prallen verschiedene Meinungen und Einschätzungen aufeinander.“

EKG identifiziert einen aus 1 Million Sportlern rechtzeitig als gefährdet

Wie Dr. Barry J. Maron (Cardiomyopathy Center, Minneapolis Heart Institute Foundation) jetzt beim ACC-Kongress in San Francisco berichtet hat, konnten nur bei 30% der an einem Plötzlichen Herztod gestorbenen Leistungssportler vor dem Ereignis Veränderungen in einem 12-Kanal-EKG gefunden werden [1]. Maron und Kollegen werteten das U.S. National Registry of Sudden Death in Athletes aus, das Daten aus 26 Beobachtungsjahren (1986-2011) enthält.

Zur Verfügung standen Daten aus Minnesota von 1,93 Millionen Sportlern in insgesamt 24 Sportarten. Während eines Wettkampfs oder in der Vorbereitung kam es unter High-School-Studenten in 13 Fällen zum Plötzlichen Herztod. Das entsprach einer Rate von einem Ereignis auf 150.000 Sporttreibende.

Laut Autopsie bestand bei 7 von 13 eine Herzerkrankung. In nur 4 Fällen (31%) hätte die für einen Plötzlichen Herztod verantwortliche kardiale Ursache verlässlich aus der Vorgeschichte, mittels einer körperlichen Untersuchung oder mit Hilfe des Ruhe-EKG identifiziert werden können.

 
„Eine solche Relation reicht nicht aus, um die augenblickliche Screening-Strategie in den USA zu ändern.“ 
Dr. Barry Maron
 

Das bedeutet: Es müssten 1 Million Ruhe-EKGs bei Sportlern gemacht werden, um eine Person vor einem Plötzlichen Herztod warnen zu können. „Eine solche Relation reicht nicht aus, um die augenblickliche Screening-Strategie in den USA zu ändern“, kommentierte Mahon. Damit  fehle die wissenschaftliche Evidenz, dass ein 12-Kanal-EKG klinisch zur Verhinderung von plötzlichen Todesfällen für alle Sporttreibenden notwendig ist“, resümiert Maron in einer Mitteilung der Minneapolis Heart Institute Foundation [1].

Ausgiebige Untersuchungen deutscher Sportler

Wie Prof. Dr. med. Hans-Joachim Trappe (Medizinische Klinik II, Marienhospital Herne, Ruhr-Universität Bochum) Medscape Deutschland mitgeteilt hat, gibt es bei uns für spezielle Sportlergruppen breit angelegte Untersuchungsprogramme. „Für die Fußballspieler der ersten und zweiten Bundesliga ist zum Beispiel seit 1999 eine internistisch-kardiologische Untersuchung Pflicht“. Dazu gehören: Belastungs-EKG, Echokardiogramm und Laboruntersuchungen.

Manche sind gar noch strenger: Beim Berlin-Marathon ging der Berliner Internist und ehemalige medizinische Leiter des Berlin-Marathon, Dr. med. Willi Heepe, über Jahre sogar so weit, dass er vor dem Lauf von jedem Teilnehmer mindestens ein EKG in Ruhe oder unter Belastung forderte, eine Ultraschallaufnahme des Herzens, einen Lungenfunktionstest sowie eine Blutanalyse, wie er auf einer Veranstaltung in Berlin im Jahr 2011 erläutert hat.

Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) fordert systematische Herz-Kreislauf-Untersuchungen für alle Sportler, die an Wettkämpfen teilnehmen, und unterscheidet solche für Sportler unter 35 und über 35 Jahren: Für diejenigen über 35 Jahren wird ein Belastungs-EKG und ein Herzultraschall empfohlen. Findet der Untersucher überdies Symptome, die weitere diagnostische Maßnahmen erfordern, gelten diese ebenfalls als begründet.

Schon jenseits der 35 kommen die Koronarien ins Spiel

Bei den Ursachen des plötzlichen Herztods hat sich seit Jahren nur wenig geändert: Junge Sportler hatten meist angeborene Herzerkrankungen wie hypertrophe Kardiomyopathie (30%), Anomalien der Herzkranzgefäße (15%) oder entzündliche Herzerkrankungen (5%). Auch der Aufprall eines harten Gegenstandes (contusio cordis) kann ein Auslöser für einen Plötzlichen Herztod sein (20%).

Zu den sonstigen Ursachen gehören Erkrankungen des Erregungssystems (Long-QT-Syndrom, Brugada-Syndrom, Wolff-Parkinson-White-Syndrom). Bei den Sportlern über 35 Jahre ist die koronare Herzkrankheit die häufigste Ursache eines Plötzlichen Herztods [2].

Allerdings blieben bisher Aortenstenose und Aortendissektion als Ursache eines Plötzlichen Herztodes weitgehend unbeachtet, wie Dr. Kevin Harris, ebenfalls von der Minneapolis Heart Institut Foundation (MHIF), herausgefunden hat [3]. Wie das MHIF mitteilt, ergab eine Auswertung des US National Registry of Sudden Death in Young Athletes, dass bei 44 von insgesamt 2588 Todesfällen eine Verbindung zu Aortenstenosen (19) oder Aortenerkrankungen (25) bestand. Bei 34 hatte es in der Vorgeschichte eine ärztliche Untersuchung gegeben, wobei bei 3 eine Aortenanomalie und bei 8 Klappenerkrankungen erkannt worden waren.  

Harris schließt daraus, dass Aortenerkrankungen bei jungen Sportlern (Durchschnittsalter: 17,6 Jahre) zwar ungewöhnlich, aber dennoch eine bedeutsame Ursache für den Plötzlichen Herztod sind. In 15 Fällen wurde ein Verdacht auf irreguläre kardiovaskuläre Verhältnisse attestiert, den Sportlern wurde aber trotzdem erlaubt, ihren Sport in Wettkämpfen zu betreiben. Jeder Dritte war zuvor vom Kardiologen untersucht worden.

EKG für Sportler in Deutschland – aber das Wichtigste ist die Anamnese

Auch Prof. Dr. Helmut Löllgen, Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) aus Remscheid bestätigt, dass die europäische Sicht auf die Bedeutung des EKG bei der Prävention des Plötzlichen Herztods eine andere ist als in den USA.

Hierzulande ist das EKG fester Bestandteil der sportärztlichen Untersuchung. „Anamnese und klinische Untersuchung sind zwar die Basis, aber wenn wir den US-amerikanischen Kollegen folgen, dann brauchen wir eigentlich nicht viel mehr zu machen. Wir empfehlen aber trotzdem von europäischer Seite bei Screenings zusätzlich das Ruhe-EKG, eventuell ein Belastungs-EKG und bei jedem bestehenden Verdacht eine Herz-Ultraschall-Untersuchung“, so Löllgen im Gespräch mit Medscape Deutschland.

Das Allerwichtigste sei aber im Normalfall nicht das EKG, sondern die sorgfältige Anamnese. Bei gefährdeten Sportlern lassen sich Synkopen oder Beinahe-Synkopen in Form von kurzen Bewusstlosigkeiten in der Vorgeschichte finden. Wichtig sei auch die Familien-Anamnese. Hier kann eine Häufung von Herztodesfällen auf eine Neigung zur Kardiomyopathie hindeuten.

Beim Abhören im Stehen und im Liegen besteht die Möglichkeit, eine Kardiomyopathie zu erkennen oder auch Klappenerkrankungen wie einen Mitralklappenprolaps, der im Stehen besser zu hören ist als im Liegen. Die DGSP hat einen Fragebogen entwickelt, aus dem hervorgeht, wie bei einer solchen Untersuchung systematisch vorgegangen werden kann [4].

Referenzen

Referenzen

  1. Maron BJ: ECG-Screening for competetive athletes would not prevent Sudden Death. Video vom 10. März 2013 auf Minneapolis Heart Institute Foundation (MHIF)
    http://www.mplsheart.org/ACC-2013-Maron
  2. Deutsches Register zum Plötzlichen Herztod:
    http://www.uni-saarland.de/page/scd.html
  3. Harris K: Sudden Death in Young Athletes: Important Causes Not Identified by the Screening Process (Video auf MHIF)
    http://www.mplsheart.org/ACC-2013-Harris
  4. DGSP-Empfehlungen für die sportärztliche Untersuchung:
    http://www.dgsp.de/sportaerztliche-untersuchung.php '

Autoren und Interessenskonflikte

Rainer Klawki
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Braumann K-M, Maron B, Trappe H-J, Löllgen H: Es liegen keine Erklärungen über Interessenkonflikte vor.

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