Besser trainieren statt operieren bei Meniskusschaden?

Inge Brinkmann | 20. März 2013

Autoren und Interessenskonflikte

Sollte man bei Patienten mit Kniearthrose und Meniskusschaden häufiger auf die Operation verzichten und stattdessen auf Physiotherapie setzen? Diesen Schluss legt jedenfalls eine aktuelle Studie aus den USA nahe, die jetzt im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde [1]. Auch deutsche Experten räumen ein, dass sich bei vielen Patienten durchaus lohnen könnte, erst einmal abzuwarten und eine konservative Behandlung zu versuchen.

In diese randomisierte kontrollierte Studie, an der Wissenschaftler verschiedener Kliniken und Universitäten in den Vereinigten Staaten beteiligt waren, wurden insgesamt Daten von 351 Patienten einbezogen. Bei einer Hälfte der Teilnehmer wurde arthroskopisch eine partielle Meniskektomie durchgeführt, anschließend nahmen sie an einem standardisierten Physiotherapie-Programm teil.

Die andere Hälfte der Teilnehmer bekam ausschließlich die physiotherapeutische Behandlung, sie hatte aber zusätzlich die Option, bei mangelhaftem Therapieerfolg in die Operationsgruppe zu wechseln.

Primärer Endpunkt der Studie war die Gelenkfunktion 6 Monate nach Festlegung der Gruppenzugehörigkeiten. Der Behandlungserfolg wurde mit Hilfe des Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index (WOMAC), einem numerischen Selbsteinschätzungsfragebogen, evaluiert. Der Summenwert des WOMAC konnte maximal 100 Punkte betragen. Je höher der Punktwert, desto schlechter war die Gelenkfunktion. Um zusätzlich Verlauf und Stabilität des Behandlungsergebnisses zu dokumentieren, wurde der Score außerdem noch nach 3 und 12 Monaten überprüft.

Ins Blaue operiert?

Bei allen Teilnehmern (Mindestalter 45 Jahre) war vor Studienbeginn per Kernspintomografie eine leichte bis mäßige Osteoarthrose und ein Meniskusschaden diagnostiziert worden. Außerdem mussten die Teilnehmer seit mindestens einem Monat klinische Symptome einer Meniskusläsion aufweisen. In diesen Fällen, so beschreiben es die Autoren, käme es häufig zu einer Überweisung zum Chirurgen und zur teilweisen Entfernung des halbmondförmigen Knorpels.

Allein: „Der Vorteil einer arthroskopischen partiellen Meniskektomie bei diesen Patienten ist ungewiss“, fasste Dr. Rachelle Buchbinder vom Department of Epidemiology and Preventive Medicine der Monash Universität in Melbourne im Editorial des Journals zusammen.

Die aktuelle Studie untersuchte nun erstmals eine große Patientengruppe, um valide Ergebnisse zu erzielen. demnach konnten sechs Monate nach Studienbeginn keine signifikanten funktionellen Unterschiede zwischen den beiden Studiengruppen festgestellt werden; in der Operationsgruppe lag der WOMAC-Wert bei 20,9 Punkten und in der Physiotherapiegruppe bei 18,5 Punkten.

Jeder Dritte wünschte sich eine Operation

„Bei der Analyse der Studienergebnisse muss aber in Betracht gezogen werden, dass sich ein Drittel der Studienteilnehmer aus der Physiotherapiegruppe letztlich doch operieren ließ“, betonte Prof. Dr. med. Karl-Heinz Frosch, Leitender Arzt des Chirurgisch-Traumatologischen Zentrums der Asklepios Klinik St. Georg in Hamburg gegenüber Medscape Deutschland. Tatsächlich entschieden sich 30,2% der zunächst physiotherapeutisch behandelten Teilnehmer innerhalb der ersten 6 Monate für eine Operation, weitere 4,7% ließen sich im Zeitraum zwischen 6 und 12 Monaten nach Studienbeginn operieren.

 
„Die Herausforderung für uns Ärzte besteht in Zukunft darin, die Patienten korrekt zu identifizieren, bei denen sich das Abwarten lohnt.“
Prof. Dr. med. Karl-Heinz Frosch
 

Auch von Buchbinder wird die hohe Abbrecherquote in der Physiotherapiegruppe nicht ignoriert. Sie ergänzt in dem Zusammenhang jedoch, dass nach 12 Monaten die Resultate bei den initial operierten Teilnehmern und den bewegungstherapeutisch behandelten Patienten vergleichbar waren. „Dies deutet darauf hin, dass die nicht-operative Behandlung eine sinnvolle erste Strategie darstellt, bei der die Operation nur für eine Minderheit von Patienten, die dadurch keine Besserung erfahren, reserviert bleibt.“

Der Orthopäde und Unfallchirurg Frosch interpretiert die Ergebnisse der Studie ähnlich. Bei einem Großteil der Patienten würde es sich durchaus lohnen, erst einmal abzuwarten und eine konservative Behandlung zu versuchen. „Die Herausforderung für uns Ärzte besteht in Zukunft darin, die Patienten korrekt zu identifizieren, bei denen sich das Abwarten lohnt“, so Frosch.

Verallgemeinern dürfe man dagegen nicht. „Viele Patienten sind schon allein aufgrund ihrer erheblichen Schmerzen oder Blockierungen gar nicht in der Lage, physiotherapeutische Übungen in einem angemessenen Ausmaß zu absolvieren.“ Solche Patienten hätten eigentlich von vornherein aus der Studie ausscheiden müssen, in der Veröffentlichung werde das aber so nicht beschrieben.

Auch auf jüngere Personen könne die Studie aufgrund der hier gewählten Altersgrenze nicht übertragen werden, meint der Mediziner. Doch gerade bei diesen Patienten gebe es eine Reihe erfolgversprechender Operationsmethoden. Erwähnenswert sei zudem, dass gerade eine solche Erkrankung nicht nach einem Jahr beendet sei und der Leidensdruck noch ansteigen könne. „Es würde mich deshalb auch nicht wundern, wenn sich noch weitere Studienteilnehmer nach Ablauf der zwölf Monate zur Operation entschieden hätten.“

Referenzen

Referenzen

  1. Katz JN, et al: NEJM (online) 19. März 2013;
    http://dx.doi.org/10.1056/NEJMoa1301408

Autoren und Interessenskonflikte

Inge Brinkmann
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Prof. Dr. med. Karl-Heinz Frosch
Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

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