Menschen im mittleren Lebensalter, die Schwierigkeiten beim Einschlafen haben, die nicht jede Nacht durchschlafen können oder die mehr als einmal in der Woche keinen erholsamen Schlaf finden, haben offenbar auch ein erhöhtes Risiko, eine Herzinsuffizienz zu entwickeln. Diesen zunächst ein wenig überraschenden Zusammenhang haben norwegische Wissenschaftler in der bisher größten Untersuchung dieser Art zu Tage gefördert. Die prospektive Register-Studie ist soeben im European Heart Journal veröffentlicht worden [1].
Für 54.279 Frauen und Männern aus der Nord-Trondelag-Health Study (HUNT) im Alter zwischen 20 und 89 Jahren ergab die Datenauswertung, dass sie in den Jahren zwischen 1995 bis 1997 keine Symptome einer Herzinsuffizienz zeigten. Bis 2008 wurde das Schicksal dieser Teilnehmer im Hinblick auf eine Herzinsuffizienz-Symptomatik weiterverfolgt. Ermittelt wurden die Schlafstörungen anhand eines Fragebogens, den die Teilnehmer selbst ausfüllten.
Im Verlauf von 11,3 Jahren entstand bei 1.412 Teilnehmern eine symptomatische Herzinsuffizienz, registriert durch die Krankenhäuser der Region oder durch Aufzeichnungen der öffentlichen Todesursachenstatistik.
Die Beziehung zwischen Schlafstörung und Herzinsuffizienz ist „dosisabhängig“
Das Resultat: Die adjustierten Hazard Ratios (HR) für einen Zusammenhang betrugen 0,96 (KI 0,57-1,61), 1,35 (KI 0,72-2,50) und 4,53 (KI 1,99 – 10,31), je nach dem, ob es sich um Personen mit 1, 2 oder 3 unterschiedlichen Symptomen von Schlaflosigkeit handelte. Dies legt sogar so etwas wie eine Dosis-Wirkungs-Beziehung nahe, meinen die Wissenschaftler: Je häufiger die Schlafbeschwerden waren, umso höher war das Risiko für das Neuauftreten einer Herzinsuffizienz.
Gefragt wurden die Teilnehmer: „Haben Sie im vergangenen Monat Schwierigkeiten beim Einschlafen gehabt? Sind Sie zu früh aufgewacht und konnten nicht weiterschlafen? Und: Wie oft leiden Sie unter schlechtem Schlaf? Die Antwortmöglichkeiten waren: „nie / gelegentlich / selten / ein oder zwei Mal im Monat / einmal die Woche / mehr als einmal die Woche“.
Wie die Forscher um Dr. Lars E. Laugsand (Medizinische Fakultät, Norwegian University of Science and Technology, NTNU, Trondheim) schreiben, ist diese Untersuchung die bisher umfangreichste über den Zusammenhang von Schlafstörungen und Herzinsuffizienz. Überdies gelang es, Einzelaspekte oder Gemeinsamkeiten bei Schlafstörungen auswerten.
Dabei fiel auf, dass Menschen mit Einschlafstörungen weniger gefährdet sind, wenn sie eine ausreichende Schlaftiefe und einen kontinuierlichen Schlaf haben, was als Kompensationsmechanismus gedeutet werden kann. Treten hingegen alle 3 Formen von Schlafstörungen auf, zeigt sich das auch an einer Risikoerhöhung für die Herzinsuffizienz.
Erstmals fiel ein Gendereffekt auf
Auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern fielen in der Studie auf. Männer mit Schlafstörungen hatten häufiger eine koronare Herzerkrankung, dilatative Kardiomyopathie oder ihre linksventrikuläre Funktion war beeinträchtigt. Frauen hatten häufiger Hypertonien und Diabetes mellitus. Außerdem hatten Frauen – wie in vielen anderen Studien belegt ist – häufiger Schlafstörungen als Männer.
Auch wenn bisherige kleinere Studien keinen Unterschied in der Korrelation von Herzinsuffizienz und Schlafstörungen bei Frauen und Männern nachweisen konnten, zeigte sich in dieser Auswertung von HUNT, dass Frauen, deren Schlaf nicht erholsam war und die unter kumulierten Schlaflosigkeitssymptomen litten, auch häufiger eine Herzinsuffizienz entwickelten als Männer.
Was steckt dahinter? Als Pathomechanismus vermuten die Forscher, dass die chronische Aktivierung von Stressantworten bei Schlaflosigkeit mit einer erhöhten Aktivität im sympathischen Nervensystem verbunden ist. Das führt zur gesteigerten Sekretion von Kortisol und zur Hochregulation des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS).
Damit verbunden ist eine erhöhte Herzfrequenz, eine verringerte Variabilität des Pulsschlags und eine Erhöhung des Blutdrucks. Außerdem werden pro-inflammatorische Zytokine und Katecholamine sezerniert – alles Trigger für eine Herzinsuffizienz.
Die Schlafstörungen selbst wiederum waren mit ungesundem Lebensstil assoziiert. Dazu gehörten eine hohe Prävalenz von Übergewicht und Bewegungsarmut, ferner Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen und Glukoseintoleranz. Dies mag zur endothelialen Dysfunktion, zur Atherosklerose, zu Niereninsuffizienz und ventrikulärem Remodelling beitragen, spekulieren die Forscher.
Summa summarum halten sie es für plausibel, dass Anomalitäten des autonomen Nervensystems und des neuroendokrinen Systems eine biologische Verbindung zum Neuauftreten einer Herzinsuffizienz darstellen – unabhängig vom etablierten Risikofaktorenkonzept oder von dem bekannten Zusammenhang von psychosozialem Stress und Schlafstörungen.
Können Schlafmittel die Herzinsuffizienz verhindern?
Auf Nachfrage von Medscape Deutschland erläuterte Laugsand, dass die Studie nicht zwingend den Schluss zulässt, dass körperliche Bewegung auch eine Präventionsstrategie gegen Herzinsuffizienz ist. Vielmehr sei körperliche Bewegung ein guter Rat für Menschen mit Schlafproblemen und ebenfalls für Patienten mit Herzinsuffizienz.
Körperliche Aktivität könne einige Formen der Schlafstörung lindern, beispielsweise die obstruktive Schlafapnoe oder auch die Symptomatik bei Herzinsuffizienz verbessern.
Die Frage, ob die Therapie der Schlafstörung das Risiko für die Herzinsuffizienz verringert, ist nicht eindeutig beantwortet. In der vorliegenden Studie wurde der Zusammenhang zwischen der Einnahme von Schlafmitteln und der Entstehung einer Herzinsuffizienz nicht untersucht.
Immerhin nahmen 10,8%, 24,4% und 39,9% der Studienteilnehmer mit 1, 2 oder 3 Symptomen einer Schlafstörung täglich eine Schlafmedikation oder ein Sedativum ein. „Weitere Forschung ist nötig, um festzustellen, ob eine Schlafmedikation in der Lage ist, die Entstehung einer Herzinsuffizienz zu verhindern“, meinte Laugsand.
Die Arbeitsgruppe von Laugsand hatte bereits vor 2 Jahren einen moderaten Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und dem Risiko für einen zukünftigen Myokardinfarkt herausgefunden und publiziert [2]. Nicht geklärt ist bisher, ob Schlafstörungen auch zur Entstehung von Diabetes und Hypertonie beitragen.
Und: „Selbst wenn wir die Analysen bezüglich kardiovaskulärer Risikofaktoren wie Hypertonie, Diabetes mellitus und schlechte Lipidwerte adjustieren, bleibt noch eine Assoziation von Schlafstörungen und dem Risiko für die Entstehung einer Herzinsuffizienz erhalten“, meinte Laugsand.