Ondansetron gegen Schwangerschaftserbrechen: Keine Hinweise auf Gefahr für den Fötus

Janna Degener | 7. März 2013

Autoren und Interessenskonflikte

Die Praxis überholt den wissenschaftlichen Erkenntnisstand – dies passiert in der Medizin immer wieder, hinterlässt aber besonders dann ein ungutes Gefühl, wenn es um die (ungeprüfte) Anwendung bestimmter Medikamente bei Schwangeren geht. Ein Beispiel ist Ondansetron, das zwar in der Praxis bereits verwendet wird, um Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft zu behandeln, doch gab es bislang noch relativ wenige Daten zur Sicherheit dieses Medikaments für die Föten. Eine aktuelle große retrospektive Beobachtungsstudie an Frauen in Dänemark hat nun versucht, diese Lücke zu schließen.

Dr. Björn Pasternak vom Statens Serum Institut in Kopenhagen und seine Kollegen griffen für ihre Analysen auf die Daten des dänischen Nationalregisters aus dem Zeitraum Januar 2004 bis März 2011 zurück. Es handelt sich um 608.385 Schwangere, von denen 0,3% – meist in der zweiten Hälfte des ersten Schwangerschaftsdrittels – mit Ondansetron behandelt wurden.

Der Vergleich der Frauen, die das Medikament eingenommen hatten, mit den Frauen, die es nicht erhalten hatten, zeigt: Die Einnahme von Ondansetron in der Schwangerschaft steht „nicht mit einem signifikanten Anstieg des Risikos für spontane Fehlgeburten, Totgeburten, schwerwiegende Geburtsfehler, Frühgeburten, für Neugeborene mit niedrigem Geburtsgewicht oder mit einer für das Gestationsalter zu geringen Größe in Verbindung“, so der Bericht im New England Journal of Medicine. Obwohl die Ergebnisse „die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen in Verbindung mit Ondansetron“ nicht definitiv ausschlössen, liefern sie nach Ansicht der  Autoren doch „eine Bestätigung, was den Gebrauch dieses Mittels bei Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft angeht“.

Schwachstelle: Studiendesign

„Eine Schwachstelle dieser Studie liegt im Studiendesign: Aus den nationalen Registern ist nur erkennbar, wann ein Rezept für das Präparat ausgestellt wurde, nicht aber der Beginn und das Ende der Einnahme sowie die Dosis. Auf solche Informationen legen wir in unseren Kohortenstudien viel Wert, aber dabei können wir immer nur auf relativ geringe Fallzahlen zurückgreifen. Wir sind deshalb froh, dass es in Skandinavien überhaupt solche großen Fallzahlen gibt“, sagt Dr. med. Wolfgang E. Paulus vom Institut für Reproduktionstoxikologie am Krankenhaus St. Elisabeth, einem akademischen Lehrkrankenhaus der Universität Ulm, gegenüber Medscape Deutschland.

Paulus vermutet zwar, dass Ondansetron in Deutschland wesentlich seltener bei schwangeren Frauen eingesetzt wird als beispielsweise in den USA. Dort ist es laut den Autoren der Studie das am häufigsten verwendete verschreibungspflichtige Antiemetikum. Dennoch hält er die Studie für wichtig: „Bei vielen Kollegen, und insbesondere Gynäkologen, die das Medikament in der Regel verordnen, besteht die Sorge, dass die vorhandenen Erfahrungen zu gering sind. Sie verwenden es meist erst dann, wenn altbewährte gängige Präparate wie Vomex® (Wirkstoff Dimenhydrinat), Paspertin® (Wirkstoff Metoclopramid) oder Meclozin, das inzwischen über internationale Apotheken aus dem europäischen Ausland bestellt werden muss, versagen.“

Nicht Mittel der ersten Wahl

Auch weiterhin sollte Ondansetron laut Paulus bei ausgeprägtem Schwangerschaftserbrechen nicht das Mittel der ersten Wahl sein. „Aber die aktuelle Studie liefert durch die breitere Datenbasis eine gute Argumentationshilfe, um auf Ondansetron zurückzugreifen, weil es keine Anhaltspunkte für ein eindeutig erhöhtes Risiko gibt.“ Das gelte insbesondere für Frauen, bei denen Schwangerschaftserbrechen mit den herkömmlichen Präparaten sehr schlecht zu behandeln ist, und die bei der nächsten Schwangerschaft und erneuter Symptomatik mitunter sogar einen Schwangerschaftsabbruch erwägen: „Ich habe in den letzten Jahren immer wieder Patientinnen erlebt, die sagen: ‚Ein zweites Mal halte ich dieses unstillbare Erbrechen über viele Wochen nicht aus‘. Wenn diese Patientinnen Ondansetron einnehmen, erleben sie häufig sehr rasch eine Besserung.“

Auch der Gynäkologe Prof. Dr. med. Klaus Vetter, der nach eigenen Angaben nicht mehr klinisch, sondern nur noch beratend tätig ist, sagte gegenüber Medscape Deutschland: „Die Ergebnisse der Studie sind zwar nicht neu, beruhigen aber, weil sie die bisherigen Vermutungen anhand größerer Zahlen bestätigen. Ich empfehle Ondansetron nach wie vor, wenn andere Mittel nicht weiterhelfen.“

Referenzen

Referenzen

    Pasternak B, et al: NEJM (online) 28. Februar 2013
    http://dx.doi.org/10.1056/NEJMoa1211035

Autoren und Interessenskonflikte

Janna Degener
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Prof. Dr. med. Klaus Vetter
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Dr. med. Wolfgang E. Paulus
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

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