Kurzzeit-Psychotherapie hilft depressiven Brustkrebspatientinnen

Ursula Armstrong | 6. März 2013

Autoren und Interessenskonflikte

Die Diagnose Brustkrebs ist ein schwerer Schlag für Frauen. Die langwierige onkologische Behandlung mit Chemo- und Radiotherapie führt zu Schmerzen, Fatigue und anderen physischen Nebenwirkungen. Viele Frauen haben außerdem Todesangst. Es ist schwer, sich mit dem eigenen Körperbild und dessen Veränderungen auseinanderzusetzen. Beziehungen und Sexualität verändern sich häufig durch die Erkrankungen. Kein Wunder also, dass Depressionen zu den häufigsten psychischen Begleiterkrankungen des Mammakarzinoms gehören.

Jede fünfte Brustkrebspatientin entwickelt Depressionen

 
„Ich halte es deshalb für sehr wichtig, routinemäßig nach Depressionen zu fahnden. Das kann man heute verlangen.“
Prof. Dr.med. Manfred Beutel
 

Nach Schätzungen leiden etwa 22 der betroffenen Frauen an einer Depression, sagt Prof. Dr.med. Manfred Beutel, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universität Mainz, im Gespräch mit Medscape Deutschland. „Natürlich machen viele Frauen eine Zeit von Traurigkeit und Einbußen durch, wenn sie eine solche Diagnose erfahren. Das würde ich aber nicht als Depression bezeichnen“, so Beutel. „Es gibt auch normale Trauer, das muss anerkannt werden.“

Jede fünfte Mamma-Ca-Patientin entwickelt jedoch tatsächlich eine klinisch gesicherte Depression. Das kann erhebliche Konsequenzen haben. Die Depression führt nicht nur zu Einbußen in der Lebensqualität, sondern kann auch die Krebstherapie beeinträchtigen. Die Behandlung werde schlechter vertragen oder sogar gar nicht durchgehalten, erklärt der Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie.

„Ich halte es deshalb für sehr wichtig, routinemäßig nach Depressionen zu fahnden. Das kann man heute verlangen.“ Dazu gibt es Screening-Instrumente, die jeder Arzt einsetzen kann. „Doch die seelischen Nöte bei der Behandlung gegen den Tumor werden häufig nicht direkt angesprochen“, sagt Beutel. Und es gibt nur wenige Studien, wie Depressionen bei Brustkrebspatientinnen wirksam behandelt werden können.

Deshalb hat er selbst eine Studie initiiert: Unter der Leitung von Beutel und Prof. Dr.med. Elmar Brähler aus Leipzig haben Wissenschaftler der Universitäten Mainz und Leipzig die Wirkung einer speziellen Kurzzeit-Psychotherapie geprüft. Die Ergebnisse werden im Detail auf dem Deutschen Psychosomatik-Kongress vorgestellt, der vom 7. bis 9. März 2013 in Heidelberg stattfindet [1]. Vorab schon so viel: Die Ergebnisse waren sehr positiv [2].

Kurzzeit-Psychotherapie hat sich in Studie bewährt

157 depressive Brustkrebspatientinnen waren per Los einer von 2 Gruppen zugeteilt worden: Die Frauen der einen Gruppe wurden wie üblich behandelt, an ihre Hausärzte verwiesen und über Beratungsstellen informiert. Die Frauen der zweiten Gruppe bekamen je eine spezielle tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie von bis zu 20 Sitzungen, jeweils eine Stunde pro Woche. Innerhalb von 8 Monaten bildete sich die Depression bei 57% der Frauen in der Psychotherapie-Gruppe zurück. In der anderen Gruppe betrug die Quote nur 33%.

Es gibt allerdings auch andere Studien, die etwa gezeigt haben, dass Bewegung und Physiotherapie die niedergedrückte Stimmung günstig beeinflussen. Und erst kürzlich haben Forscher aus China, den USA und Dresden nachgewiesen, dass Qigong bei 96 Frauen, die wegen Brustkrebs eine Strahlentherapie erhielten, Depressionen und Fatigue reduzieren konnte [3].

Die von Beutel getestete Psychotherapie hat allerdings besonders starke Effekte gezeigt. Er erklärt das vor allem damit, dass in dieser speziellen Behandlung auch der Umgang mit der Depression und deren Ursachen besprochen werden. Die Patientinnen werden nicht nur über die Depression informiert, sondern es werden mit ihnen gemeinsam auch individuelle Strategien entwickelt, wie sie ihre seelischen Probleme besser bewältigen können.

„Unsere Behandlung ist eine Kombination aus stützenden Behandlungselementen wie Beziehungs- und Vertrauensaufbau und Verständnis für die Depression.“ So würden etwa oft bestimmte Beziehungsmuster in die Depression umgesetzt, zum Beispiel Enttäuschungen wegen der Reaktion anderer auf den Brustkrebs. Dahinter, so Beutel, steckten oft unausgesprochene Erwartungen. In der Therapie werden die dann thematisiert und können so verarbeitet werden.

Gesprächsbedarf erkennen

Die Forscher gehen davon aus, dass sich eine solche tiefenpsychologisch orientierte Kurzzeit-Psychotherapie auch bei Patienten mit anderen Krebsarten bewähren würde. Je früher die Psychotherapie beginnt, desto besser für die betroffenen Patienten. Sie können sich an Krebsberatungsstellen oder Psychosomatische Kliniken wenden.

Auch die Hausärzte sind wichtige Anlaufstellen. Sie sollten darauf achten, ob etwa Brustkrebspatientinnen eine Depression entwickeln. Dazu braucht es aber Fingerspitzengefühl. Denn: „Nicht alle Frauen wollen reden und über sich sprechen“, sagt Beutel. „Das muss man verstehen.“ Sie haben schließlich genug damit zu tun, die schwere Diagnose Brustkrebs zu verkraften. „Unsere Erfahrung aus der Betreuung von Patientinnen in der Klinik ist aber, dass sie oft ein starkes Bedürfnis haben zu sprechen, das von den Ärzten nicht immer wahrgenommen wird.“

Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist allerdings immer noch eine große Hürde. Der Grund seien die getrennten Versorgungssektoren, meint Prof. Dr. med. Wolfgang Herzog aus Heidelberg, der Tagungspräsident des diesjährigen Psychosomatik-Kongresses. „Somatische und Psychosomatische Medizin müssen hier besser zusammenarbeiten.“ Auch das ist ein Thema beim Kongress in Heidelberg.

Referenzen

Referenzen

  1. Deutscher Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Heidelberg, 7. - 9. März; http://www.deutscher-psychosomatik-kongress.de/startseite
  2. [2] Beutel M, et al: Wirksamkeit psychodynamischer Kurzzeitpsychotherapie für depressive Brustkrebspatientinnen: Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Multicenterstudie. Abstract zum Kongress
  3. [3] Chen Z, et al: Cancer (online) 25. Januar 2013
    http://dx.doi.org/10.1002/cncr.27904  

Autoren und Interessenskonflikte

Ursula Armstrong
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Studienautoren: Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.