Thromboembolien verschlechtern ungünstige Prognose von Krebspatienten – was ist zu tun?

Rainer Klawki | 5. März 2013

Autoren und Interessenskonflikte

München – Lässt sich über eine verbesserte Thromboseprophylaxe und eine geeignete Therapie solcher Verschlüsse eventuell die Prognose einiger Krebspatienten verbessern? Diese Frage stellte Prof. Dr. med. Ingrid Pabinger-Fasching, Klinische Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie, sowie Leiterin der Gerinnungsambulanz am Allgemeinen Krankenhaus Wien, bei der 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämostase- und Thromboseforschung im Februar in München [1]. Schließlich kommen Thromboembolien gehäuft bei Krebspatienten vor – entweder in Form tiefer Beinvenenthrombosen oder als Lungenembolien. Und sie können die ohnehin schlechte Prognose der Krebspatienten weiter verschlechtern.

Zwei Scores können genutzt und auch kombiniert werden

Hilfreich zur Beurteilung des Thromboserisikos bei Krebspatienten sind 2 Scores: der Khorana- und der Vienna-Score oder eine Kombination aus beiden. Sie können laut Pabinger-Fasching auch für ambulante Patienten eine Entscheidungshilfe sein. Anders als bei stationären Patienten wird für ambulante Patienten mit Chemotherapie bisher keine generelle Thromboseprophylaxe empfohlen.

Der Khorana-Score arbeitet mit einfachen Fragen, etwa nach Art und Lokalisation des Krebses, der Höhe des BMI und der Blutzellzahl. Im Vienna-Score werden Biomarker wie D-Dimer und sP-Selectin hinzugezogen. Bei einem Khorana-Score über 3 beträgt das Thrombose-Risiko mehr als 10-20%. Generell liegt das Thromboserisiko bei stationären Krebspatienten ohne Prophylaxe bei unter 3%, in der orthopädischen Chirurgie bei unter 5% und bei Patienten mit idiopathischer Thrombose in der Anamnese bei unter 10% im Verlauf von 6 Monaten. Bei allen 3 Indikationen sei dieses Risiko aber hoch genug, um eine Thromboseprophylaxe zu rechtfertigen, wie Pabinger-Fasching erläuterte.

Biomarker geben Hinweis auf Überlebenswahrscheinlichkeit

Derzeit werden verschiedene Biomarker erforscht, weil eine Beziehung zwischen der Thrombosehäufigkeit und der Höhe bestimmter hämostatischer Parameter belegt ist. Der geeignetste Biomarker ist der auch in der Praxis bereits verfügbare D-Dimer-Spiegel, ein globaler Marker für die Aktivierung der Koagulation. Die Bestimmung des D-Dimer-Spiegels wird regulär zur Diagnose akuter venöser Thromboembolien genutzt, ist aber auch für die Beurteilung der Prognose von Krebspatienten geeignet, so Pabinger-Fasching. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Spiegel bei Krebspatienten ohnehin erhöht sind – je nach Krebsart aber unterschiedlich hoch.

„Die höchsten D-Dimer-Spiegel über 1,33 µg/ml weisen Patienten mit Lungentumoren auf. Am niedrigsten sind sie bei Patienten mit Brustkrebs und Prostatakrebs, bei denen es ohnehin seltener zu Thrombosen kommt“, sagte Pabinger-Fasching. Und: „Vergleicht man die Resultate des D-Dimer-Spiegels mit anderen hämatologischen Markern, muss er als einer der am besten geeigneten Parameter für die Prognose gelten.“

Gemäß einer Studie von Cihan Ay et al. lässt sich festhalten, dass die Patienten mit geringen D-Dimer-Spiegeln von 0,03-0,34 µg/ml in der ersten Quartile ein Überleben von 80% in den ersten beiden Jahren aufweisen [2]. Verglichen mit der vierten Quartile mit hohen D-Dimer-Spiegeln von 1,33-45,1 µg/ml und einem durchschnittlichen Überleben von nur 30% ergibt sich ein hoher prädiktiver Wert. „Der D-Dimer-Spiegel ist damit nicht nur ein guter Prädiktor für Thromboembolien, sondern auch für das Überleben“, so Pabinger-Fasching.

Welche Bedeutung hat die Krebsart für das Thromboserisiko?

Ein wichtiges Kriterium für das Thromboserisiko ist die Krebsart. Zum Beispiel wird augenblicklich beim Myelom als Thromboseprophylaxe ASS, niedermolekulares Heparin (LMWH) oder eine INR zwischen 2 und 3 mit Hilfe von Antikoagulanzien empfohlen, weil hier eine hohe Assoziation besteht. Der ungünstige Einfluss der Thrombose auf die Prognose von Krebspatienten unterscheidet sich aber bei den einzelnen Krebsarten.

Nach Angaben von Pabinger-Fasching hat man bei Pankreas- und Magenkrebs keinen Einfluss der Thrombosehäufigkeit auf das Überleben festgestellt, bei Lungenkrebs und Kolonkarzinom ist der Einfluss noch nicht geklärt. Eindeutig verkürzt wird das Überleben, wenn bei Glioblastom oder Lymphom Thrombosen entstehen.

Prophylaxe und Therapie gemäß Leitlinien

In den „International clinical practice guidelines for the treatment and prophylaxis of venous thromboembolism in patients with cancer“, die von Dominique Farge, Saint-Louis Hospital Paris, und Kollegen 2013 veröffentlicht worden sind, wird bei einer VTE bei Krebspatienten LMWH als Initialtherapie für mindestens 3 Monate empfohlen (1A-Empfehlung) [3]. Ob vom 3.-6. Monat weiterbehandelt werden soll, muss je nach Fall und Krebsart entschieden werden. Bei Lymphom oder Glioblastom z.B. scheinen 6 Monate empfehlenswert zu sein.

Als perioperative Prophylaxe bei Krebspatienten werden derzeit empfohlen: LMWH einmal täglich oder eine niedrige Dosis unfraktioniertes Heparin (UFH) dreimal täglich. Begonnen werden sollte 12 bis 2 Stunden vor der Operation, und die Prophylaxe sollte 7-12 Tage postoperativ fortgeführt werden.

Pabinger-Fasching wies darauf hin, dass es keine Studien gibt, die für die perioperative Prophylaxe die Überlegenheit einer bestimmten Strategie nachgewiesen hätten. Auch fehlt ein Beleg dafür, dass Fondaparinux in der Prophylaxe postoperativer Thrombosen bei Krebspatienten einen Vorteil bietet (Grad 2C-Empfehlung). Bei Verwendung der LMWH wird zur Verhinderung der postoperativen Thrombose bei Krebspatienten die höchste Dosierung empfohlen (Grad 1A-Empfehlung).

Für alle stationären Krebspatienten wird eine Prophylaxe mit LMWH, UFH oder Fondaparinux empfohlen, wenn die Mobilität der Patienten stark eingeschränkt ist(Grad1-B-Empfehlung). Handelt es sich um ambulante Patienten, die eine Chemotherapie erhalten, wird die Prophylaxe bisher nicht routinemäßig empfohlen.

Interventionelle Studien mit oralen Antikoagulanzien gefordert

Pabinger-Fasching wies darauf hin, dass sich die neuen Leitlinien von 2013 unter anderem auch mit dem spezifischen Problem der katheterassoziierten Thrombose befassen [3]. „Wir sollten über die Wirksamkeit der Thromboseprophylaxe in relativen aber auch absoluten Zahlen nachdenken, um den Nutzen beurteilen zu können“, so Pabinger-Fasching. Berücksichtigt werden müssten dabei die Reduktion der thromboembolischen Ereignisse, ebenso wie das Überleben, aber auch die Zahl der Blutungen und andere unerwünschte Wirkungen.

Für die Zukunft wünschte sich Pabinger-Fasching interventionelle Studien, die die neuen oralen Antikoagulanzien bei Hoch-Risiko-Patienten zur Therapie und Prophylaxe der Thrombose nutzen.

Prof. Dr. med. Meinrad Gawatz, Ärztlicher Direktor und Ordinarius, Kardiologie und Kreislauferkrankungen am Deutschen Herzkompetenzzentrum (DHZ) Tübingen, wagte auf Nachfrage von Medscape Deutschland und als Chairman der Sitzung über Krebspatienten und Thrombose einen Blick in die Zukunft der Thrombosetherapie und Thromboseprophylaxe. Am weitesten sieht er die Entwicklung bei der Stentthrombose der Koronargefäße vorangeschritten.

Seine Idealvorstellung wäre es, dass eines Tages neue Plättchenhemmer wie Ticagrelor oder Prasugrel mit einem neuen oralen Antikoagulans wie Apixaban, Edoxaban, Dabigatran oder Rivaroxaban kombiniert werden können und so ein Optimum an Ereignisreduktion in der Prophylaxe erreicht wird. Doch bis dahin sei noch ein weiter Weg zu gehen, weil Studien für die jeweilige Indikation nötig sind.

Referenzen

Referenzen

  1. 57. Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH), 20.-23. Februar 2013, München. Plenary 5, 22.02.13: „Clinical Relevance of cancer-associated thrombosis“
    http://www.gth2013.org/
  2. Ay C, et al: Haematologica. 2012; 97(8): 1158–1164
    http://dx.doi.org/10.3324/haematol.2011.054718
  3. Farge D, et al: J Thromb Haemost. 2013; 11: 56–70
    http://dx.doi.org/10.1111/jth.12070

Autoren und Interessenskonflikte

Rainer Klawki
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Prof. Dr. med. Ingrid Pabinger-Fasching
Vortragshonorare von Pfizer, Sanofi Aventis, Boehringer-Ingelheim und Bayer.

Prof. Dr. med. Meinrad Gawatz
Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

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