Dass der Konsum illegaler Drogen wie Heroin, Kokain oder Speed mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko assoziiert ist, ist schon länger bekannt. Jetzt haben neuseeländische Forscher aber auch ein zweifach erhöhtes Schlaganfallrisiko bei Cannabis-Rauchern festgestellt. „Es handelt sich um die erste Fall-Kontroll-Studie, die eine mögliche Verbindung von erhöhtem Schlaganfallrisiko und Cannabis aufzeigt“, so der Leiter der Forschergruppe, Dr. P. Alan Barber, University of Auckland, Neuseeland. Bei Patienten, die eine transitorische ischämische Attacke (TIA) oder einen Schlaganfall erlitten, konnten sie in ihrer Studie 2,3-mal häufiger Cannabis im Urin nachweisen als bei alters- und geschlechtsentsprechenden Kontrollpatienten.
Seit Jahrtausenden wird Cannabis in China, Indien, Afrika und Mitteleuropa als zeremonielles Rauschmittel und Heilpflanze verwendet. Heute ist Marihuana weltweit die am meisten verbreitete illegale Droge. Dies allerdings mit Nebenwirkungen: Psychische Abhängigkeit, Psychosen und Schädigungen der Lunge sind bekannte Risiken. Bereits 2010 hatten Forscher um Dr. Jean Lud Cadet, Bayview Research Center, Baltimore, USA, bei Langzeitkonsumenten eine Erhöhung von Apolipoprotein C-III (ApoC-III) und damit erhöhte Blutfettwerte entdeckt [1]. In ihrem Bericht in Molecular Psychiatry vermuteten die Wissenschaftler bereits damals in diesem Zusammenhang ein erhöhtes Schlaganfall- und Herzinfarkt-Risiko.
Junge Schlaganfall-Patienten auf Cannabis testen?
Die aktuelle Studie wurde auf dem Internationalen Kongress der American Stroke Association vom 6. bis 8. Februar in Honolulu, Hawaii, präsentiert [2]. Die Forscher untersuchten 160 Schlaganfall- und TIA-Patienten im Alter von 18 bis 55 Jahren. 150 von ihnen erlitten einen Schlaganfall und 10 eine TIA; der Urin aller Patienten wurde auf Cannabis getestet. Das Ergebnis: 16% dieser Drogen-Screens waren positiv und stammten in der Mehrheit von männlichen Patienten, die auch Tabak rauchten. Demgegenüber waren nur 8,1% der Kontroll-Patienten in diesem Test positiv.
„In der Öffentlichkeit herrscht bislang die Meinung, dass Cannabis zwar eine illegale, jedoch relativ harmlose Droge ist“, sagt Barbar. „Diese Studie zeigt, dass dies nicht der Fall ist.“ Ein möglicher Zusammenhang mit Schlaganfällen sei nicht auszuschließen. Wenn junge Schlaganfall-Patienten in die Notaufnahme eingeliefert werden, empfiehlt er daher, diese auch auf Cannabis-Konsum zu testen.
Jedoch misst Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Universität Duisburg-Essen, auf Nachfrage von Medscape Deutschland anderen Rauschmitteln hinsichtlich des Schlaganfallrisikos bei jungen Patienten wesentlich mehr Bedeutung zu: „Bei unter 45-Jährigen spielen Alkoholmissbrauch, harte Drogen, insbesondere Crack und Kokain, eine viel wichtigere Rolle“, betont er.
Prospektive Studien zur Bedeutung des Schlaganfall-Risikos von Cannabis-Rauchern vorzunehmen, sei „anspruchsvoll“, geben die Autoren der aktuellen Studie zu bedenken. Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, wenig zuverlässige Antworten von Patienten zu ihrem Drogenkonsum zu erhalten. Zu bedenken sei auch, dass alle Cannabis-Konsumenten in der aktuellen Studie zusätzlich Tabakraucher waren. „Wir glauben trotzdem, dass es das Cannabis und nicht der Tabak war“, sagt Barber.
Weitere Hinweise auf das Schlaganfall-Risiko liefert ein aktueller Review, den Dr. Valérie Wolff, Universität Straßburg, Frankreich, und Kollegen in der Februar-Ausgabe von Stroke veröffentlicht haben [3]. Der Überblick bezieht 59 Fallberichte ein, bei denen ein Zusammenhang eines Schlaganfalls mit Cannabis-Konsum hergestellt wurde. Die Autoren weisen vor allem darauf hin, dass der Schlaganfall in vielen dieser Fälle noch während des Rauchens oder innerhalb der ersten halben Stunde danach auftrat. Sie vermuten, dass Cannabis eine multifokale intrazerebrale Stenose verursachen kann, die wiederum zum Schlaganfall führt. „Wir haben diese Stenosen bei regelmäßigen Cannabis-Rauchern gesehen, diese verschwanden, wenn sie aufhörten zu rauchen.“ Wie Cannabis die Verengungen verursache, müsse weiter untersucht werden.