Kalzium-Präparate wirken sich günstig auf die Knochengesundheit aus. Doch bei jahrzehntelanger Einnahme erhöhen sie laut einer aktuellen US-Studie zumindest bei Männern das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen (cardiovascular disease, CVD) und Todesfälle.
Eine aktuelle schwedische Studie, die die Kalziumaufnahme von Frauen in Bezug zu deren kardiovaskulärer Gesundheit setzt, zeigt erhöhte Todesraten auch bei Frauen, wenn diese sehr hohe Mengen an Kalzium zu sich nahmen oder aber mit dem Mineralstoff unterversorgt waren.
In beiden Studien hatten Personen, die Kalzium ausschließlich aus Nahrungsmitteln aufnahmen – ohne Supplementierung in Tablettenform – die besten Resultate: Bei ihnen ließen sich keine ungünstigen Auswirkungen auf das Überleben nachweisen.
Wie Prof. Dr. med. Helmut Gohlke aus Bad Krozingen, der bei der Deutschen Herzstiftung für Prävention zuständig ist, gegenüber Medscape Deutschland betont, liegen vergleichbare Daten aus Deutschland nicht vor. Daher seien solche Studien auch hierzulande von Bedeutung.
Laut US-Studie keine ungünstigen Effekte bei Frauen
Aus der epidemiologischen Untersuchung von Dr. Qian Xiao vom National Cancer Institute in Bethesda, US-Staat Maryland, und ihren Kollegen geht hervor: Männer, die 1000 mg Kalzium oder mehr pro Tag supplementierten, hatten ein um 20% erhöhtes, meist auf kardiovaskuläre Erkrankungen zurückgehendes Sterberisiko. Gemäß ihrer Publikation in der Februar-Ausgabe des Journal of the American Medical Association (JAMA) ließ sich dabei kein geschlechtsspezifischer Unterschied finden [1]. Eine Erklärung hierfür könnte sein: Frauen mit vergleichsweise sehr hoher Kalzium-Supplementierung, die bei Männern in ähnlicher Größenordnung gar nicht vorkam, waren aus der Analyse ausgeschlossen.
Ausgewertet wurden Daten der „National Institutes of Health-AARP Diet and Health Study“ mit 388.229 Männern und Frauen im Alter von 50 bis 71 Jahren aus 6 US-amerikanischen Bundesstaaten. Grundlage waren Daten über die Häufigkeit der Nahrungsaufnahme, Portionsgröße und Aufnahme von Multivitaminen, kalziumhaltigen Antazida oder Kalzium. Die Daten waren als Selbstauskunft mit Hilfe eines Fragebogens gesammelt worden. Während eines mittleren Follow-up von 12 Jahren, kam es zu 7904 CVD-Todesfällen bei Männern und 3874 bei Frauen. Supplementierte Kalziumzufuhr (1000 mg pro Tag vs. keine Kalziumpräparate) erhöhte demnach bei Männern das Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen, Tod und kardiovaskulärem Tod um 20%. Bei Frauen ließ sich eine solche Assoziation nicht nachweisen.
Die Schweden sehen auch Gefahren für Frauen
Diese fand sich jedoch in der schwedischen Studie: Dr. Karl Michaelsson von der Universität Uppsala wertete die Daten von 61.443 schwedischen Frauen der Jahrgänge 1914 bis 1948 aus der „Swedish Mammography Cohort“ aus und verglich diese mit der Todesursachenstatistik, wie das British Medical Journal berichtet [2]. Die Kalziumaufnahme wurde in Quartile eingeteilt. Die Studienteilnehmer der untersten Quartile nahmen im Schnitt 572 mg/Tag zu sich. In der Quartile mit der höchsten Kalziumaufnahme lag der Mittelwert bei 2137 mg/Tag. Während der 19-jährigen Nachverfolgung starben 3862 (32%) der Beobachteten an kardiovaskulären Erkrankungen, 1932 (16%) an Herzinfarkt und 1100 (8%) an Schlaganfall. Der höchste Anteil kardiovaskulärer Todesfälle war in der Gruppe derjenigen, die mehr als 1400 mg Kalzium täglich aufnahmen. Die Rate war doppelt so hoch wie in der Gruppe mit einer täglichen Kalziumaufnahme zwischen 600 und 999 mg/Tag.
Doch auch in der untersten Quartile mit einer Kalziumaufnahme unter 600 mg/Tag war die Mortalität erhöht. Die plausibelste Erklärung laut Michaelsson: Sowohl eine zu hohe als auch eine zu geringe Kalziumaufnahme kann die hämostatische Balance beeinträchtigen.
Wie Michaelsson gegenüber Medscape Deutschland mitteilt, wurden die Daten der Männer unter der gleichen Fragestellung bislang noch nicht ausgewertet.
Es bestehen noch viele Unklarheiten
Prof. Helmut Gohlke merkt auf Nachfrage von Medscape Deutschland an, dass die Frage, wie wirksam die Kalziumsubstitution – meistens in Kombination mit Vitamin D – für die Prävention von Frakturen ist, noch nicht ausreichend geklärt sei. Hier gebe es trotz mancher epidemiologischer Studien noch Unklarheiten, die nur durch prospektive interventionelle Studien zu klären seien.
In einem Kommentar in der gleichen JAMA-Ausgabe weist Dr. Susanna Larsson vom Karolinska Institut in Stockholm auf die widersprüchliche Datenlage auf diesem Gebiet hin. Sie vermutet methodische Gründe. So wurden in der WHI-Studie (Women‘s Health Initiative) von Dr. Mark Bolland und Kollegen, University of Auckland, Neuseeland, zwar zunächst keine kardiovaskulären Risiken in Verbindung mit Kalziumsupplementierungen gefunden. Doch ab dem Zeitpunkt, an dem Frauen gesagt wurde, dass sie als Studienteilnehmer alle Arten von Supplementierung stoppen sollten und die Daten dann neu analysiert würden, zeigte sich eine signifikante Assoziation zwischen Kalziumzufuhr sowie Vitamin D und dem Risiko für das Auftreten eines Myokardinfarkts.
Larsson schließt daraus, dass man das Studiendesign immer im Blick behalten müsse. Für sie ist eindeutig, dass die beste Quelle für Kalzium die Nahrung und der Konsum von kalziumreichen Lebensmitteln wie (fettarmen) Milchprodukten, Bohnen oder grünem Blattgemüse sind. Auch Prof. Helmut Gohlke weist darauf hin, dass sich die Deutsche Herzstiftung wiederholt bei einer normalen, abwechslungsreichen Kost gegen Nahrungsergänzungsmittel inklusive Vitamine ausgesprochen hat. „Wir empfehlen die mediterrane Kost” so Gohlke im Gespräch mit Medscape Deutschland.