Regelmäßige Sonnenbäder begünstigen zwar die vorzeitige Hautalterung. In punkto rheumatoider Arthritis könnten sie aber schützend wirken. Dies legt zumindest eine aktuelle Auswertung der Nurses Health Studie nahe (1).
Analysiert wurden 2 Phasen der US-amerikanischen Nurses‘ Health Study (NHS): Einmal mit mehr als 120 000 Krankenschwestern im Alter von 30 bis 55 Jahren von 1976 bis 2008 (NHSI) und zum zweiten in den Jahren 1989 bis 2009 weitere 115 500 Krankenschwestern, die 25 bis 42 Jahre alt waren (NHSII).
Das Ausmaß der UVB-Strahlung kalkulierten die Forscher auf Basis des Breitengrads, der Höhenlage und von Wetterdaten des Heimatstaats der Teilnehmerinnen. Die jährlichen Durchschnittswerte reichten von 93 (Robertson-Berger Einheiten) in Alaska und Oregon bis zu 196 in Hawaii und Arizona.
Keine optimalen Messmethoden
1.314 Frauen entwickelten während der Beobachtungsdauer eine rheumatoide Arthritis. Dabei zeigte sich in der ersten Kohorte, dass mit zunehmender UVB-Bestrahlung das Risiko für eine rheumatoide Arthritis abnahm. Die Teilnehmerinnen mit der höchsten UVB-Bestrahlung entwickelten um 21% seltener eine rheumatoide Arthritis als diejenigen mit der geringsten UVB-Exposition.
Ein derartiger Zusammenhang ließ sich allerdings bei den Frauen aus NHSII nicht bestätigen. Die Vermutung der Autoren: Die Teilnehmerinnen der zweiten Kohorte waren sich der Gefahren des Sonnenlichts stärker bewusst und verwendeten vermehrt Sonnenschutzmittel, was die günstigen Effekte hinsichtlich der rheumatoiden Arthritis wohl abschwächte.
Der Zusammenhang von UVB-Bestrahlung und rheumatoider Arthritis ist wahrscheinlich über Vitamin D vermittelt, meinen die Autoren.
Prof. Dr. med. Matthias Schneider, Leiter der Rheumatologie an der Poliklinik für Rheumatologie der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, und Prof. Dr. med. Heike Bischoff-Ferrari, Leiterin des Zentrums Alter und Mobilität der Universität Zürich und Nationalfondsprofessorin an der Rheumaklinik Universitätsspital Zürich, betonen gegenüber Medscape Deutschland:
„Die Nurses‘ Health Study ist eine Beobachtungsstudie, die die UV-Bestrahlung auf der Basis nationaler Wetterdaten misst. Dadurch wird nicht ersichtlich, welcher UV-Bestrahlung oder gar welcher Vitamin-D-Exposition jede einzelne Person ausgesetzt war. Wenn man sich die älteren Menschen in Europa anschaut, haben diejenigen aus der mediterranen Region den niedrigsten Vitamin-D-Spiegel, obwohl sie laut dem UVB-Faktor der NHS am besten versorgt sein sollten. Wer in einem sonnenreichen Land lebt, schützt sich also häufig vermehrt vor der Sonne.“
Auch dass die Studie in beiden Phasen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt, sei kritisch zu betrachten: „Die Erklärung der Autoren ist zwar plausibel: Heute weiß man mehr über den Zusammenhang von UV-Bestrahlung und nicht-melanotischem Hautkrebs, da der Sonnenschutz berechtigterweise von der Seite der Dermatologen sehr propagiert wird.
Auch unbewusst wird dieser Sonnenschutz umgesetzt, denn es gibt kaum noch Gesichtscremes für Frauen, in denen kein Sonnenschutzfaktor enthalten ist. Allerdings haben die Autoren nicht erfasst, ob die Teilnehmer der zweiten Kohorte sich tatsächlich besser vor Sonnenlicht geschützt haben oder nicht. Und sie versuchen auch nicht zu erklären, warum der Befund aus der ersten Studie zufällig sein könnte“.
Impulse für die weitere Forschung
Dennoch betonen Schneider und Bischoff-Ferrari, dass solche Einschränkungen bei einem so neuen Forschungsthema unumgänglich sind. „Es ist toll, dass wir die Risikofaktoren für rheumatoide Arthritis mithilfe der sorgfältig erhobenen Daten aus der Nurses‘ Health Study genauer unter die Lupe nehmen können. Aus dieser Studie wissen wir bereits, dass bei Frauen Übergewicht einen Risikofaktor darstellt. Außerdem kennen wir einige genetische Faktoren und wir wissen, dass bei Männern das Rauchen eine Rolle spielt“.
Bischoff-Ferrari ergänzt: „Die Studie passt sehr gut zu anderen Studienergebnissen, die zu diesem Thema gemacht wurden. Es wurde bereits gezeigt, dass Vitamin D bei Mäusen einen Schutz gegen Rheuma-Neuerkrankungen bewirkt, dass Vitamin-D-Rezeptoren auf den Immunzellen des menschlichen Körpers sehr präsent sind und dass Vitamin D eine anti-entzündliche Wirkung auf der Ebene von Biomarkern zeigt.
Und es gibt auch Kohortenstudien, die die Vitamin-D-Exposition genauer gemessen haben. Dabei zeigte sich, dass Frauen, die mehr als 400 Einheiten Vitamin-D pro Tag einnahmen, ein zu 34% niedrigeres Risiko hatten, an rheumatoider Arthritis zu erkranken. Und schließlich konnte eine Studie zeigen, dass eine Korrelation des Vitamin-D-Spiegels mit der Anzahl der schmerzhaften Gelenke bei Patienten mit rheumatoider Arthritis existiert.
Eine andere große Interventionsstudie kam zwar zu dem Ergebnis, dass Vitamin D das Risiko der Erkrankung mit einer rheumatoiden Arthritis nicht beeinflusst, allerdings wurden den Teilnehmerinnen hier nur 400 Einheiten Vitamin D gegeben, was offenbar eine zu geringe Dosis ist.“
Insgesamt spreche also einiges dafür, dass das Risiko der Entwicklung rheumatoider Arthritis bei Frauen durch eine bestimmte Dosis von Vitamin D gesenkt werden könne. Diese Vermutung werde durch die Nurses‘ Health Study leicht bestätigt, auch wenn eine tatsächliche Klärung noch ausstehe.
Schneider betont: „Zur Bestätigung braucht man ähnliche Daten aus einer anderen Region der Welt. In Deutschland wird eine große nationale Kohorte gerade erst aufgelegt, aber wir wissen nicht, ob sie das abdeckt. Möglicherweise gibt es jedoch entsprechende Daten zum Beispiel aus Skandinavien.“
Während Schneider aus den Ergebnissen der NHS-Studie keine Konsequenzen für den Umgang mit UVB-Bestrahlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis ableiten würde, betont Bischoff-Ferrari: „Patienten mit rheumatoider Arthritis sollten auf keinen Fall Vitamin-D-unterversorgt sein. Die rheumatoide Arthritis fördert den gelenknahen Knochenabbau und eine generalisierte Osteoporose. Die Patienten haben ein sehr hohes Knochenbruchrisiko und sie bekommen Medikamente, die den Knochen zusätzlich schädigen.
Außerdem haben diese Patienten ein erhöhtes kardio-vaskuläres Risiko und auch da gibt es Hinweise, dass eine Unterversorgung einen negativen Effekt hat. Ich würde Vitamin D zum jetzigen Zeitpunkt primär wegen der Knochengesundheit empfehlen und offen lassen, inwieweit hier noch ein zusätzlicher Benefit auf die Krankheitsaktivität dazukommt.“