Herz- und Gefäßerkrankungen stehen seit Jahren im Verdacht, die Entstehung von Demenzen zu begünstigen. Ob allerdings die Behandlung des Gefäßleidens auch die Demenz verhindern kann, ist schwierig nachzuweisen. Einen signifikanten Zusammenhang zwischen Herzerkrankungen und geringen mentalen Beeinträchtigungen (Mild Cognitive Impairment, MCI) hat jetzt eine Forschergruppe der Mayo Clinic in einer prospektiven Beobachtungsstudie bestätigt.
Zumindest soll dies für ältere herzkranke Frauen gelten. So genannte nicht-amnestische Formen (non-amnestic mental cognitive impairment, naMCI), die also weniger das Gedächtnis als vielmehr andere kognitive Funktionen betreffen, sollten als Frühsymptom der Entstehung einer dementiellen Erkrankung angesehen werden. So lautet die Empfehlung der Forscher aufgrund ihrer Daten. Allgemein wird angenommen, dass sich nur eine amnestische MCI zu einer Demenz vom Alzheimer-Typ weiterentwickeln kann, eine nicht-amnestische dagegen eher in eine vaskuläre Demenz oder in eine der Mischformen mündet.
Kognition und Herzerkrankungen hängen nur bei Frauen zusammen
Das Team um Dr. Rosebud O. Roberts von der Abteilung Epidemiologie der Mayo Clinic in Rochester (Minnesota, USA) betrachten ihre Ergebnisse als weiteren epidemiologischen Beleg dafür, dass kardiale Krankheiten ein Risikofaktor für das frühe Auftreten leichter Demenzen sind, wie sie in „JAMA Neurology“ berichten [1].
Die prospektive bevölkerungsbasierte Kohorten-Studie „Mayo Clinic Study of Ageing“ hat 2.719 Patienten im Alter zwischen 70 und 89 Jahren 4 Jahre lang beobachtet. Untersucht wurden sie mit der „Clinical Dementia Rating Scale“, außerdem fand eine neurologische und neuropsychologische Testung statt. Als Vergleich dienten Bevölkerungsdaten aus Olmsted County, einem vorwiegend von Weißen bewohnten Stadtteil in Kliniknähe.
Man differenzierte die kognitiven Leistungen in die Kategorien normal, MCI oder dementielle Beeinträchtigung, sowie nach anmnestischer (aMCI) und nicht-anmnestischer (naMCI) Beeinträchtigung, je nachdem, ob Defizite beim Gedächtnis bestanden oder nicht.
Rückschlüsse auf bestehende Herzerkrankungen stammten aus den Patientenakten. Als relevant galten Vorhofflimmern, koronare Herzkrankheit oder Herzinsuffizienz.
Von den 1.450 Teilnehmern entwickelten 366 eine MCI: 18 Patienten davon zeigten nach 4 Jahren deutliche Zeichen einer Demenz, 24 hatten eine MCI unbekannten Typs, 93 eine naMCI und 231 eine aMCI. 39 Patienten starben vor dem ersten Follow-up, 151 konnten nicht weiter verfolgt werden.
Eine vorbestehende Herzerkrankung war allein bei Frauen statistisch signifikant mit einem erhöhten Risiko für eine naMCI verbunden (Hazard Ratio: 1,77). Bei ihnen zeigte sich eine Risikoerhöhung von 2,25 bei Vorhofflimmern, von 2,05 bei koronarer Herzkrankheit und von 2,82 bei Herzinsuffizienz.
Für die Männer ließ sich der Zusammenhang nicht belegen: Zwar waren bei ihnen die meisten Fälle einer naMCI diagnostiziert worden. Eine enge Assoziation zwischen Herzerkrankung und dementieller Beeinträchtigung wie bei den Frauen konnte indes nicht nachgewiesen werden.
Doch geben die Untersucher selbst zu bedenken, dass die Gruppe der Männer in der Studie ohnehin ein jüngeres Durchschnittsalter als die Frauen hatten, was auch das Gesamtergebnis verzerren kann.
Die Prophylaxe-Probe steht noch aus
Eine Schlussfolgerung der Wissenschaftler aus dieser Studie lautet, dass eine naMCI vermutlich vaskuläre Ursachen hat. Sie betrachten dabei die Herzerkrankung als unabhängigen, modifizierbaren Risikofaktor für naMCI bei älteren Menschen, vor allem bei Frauen.
Pathophysiologisch kommen hierfür folgende Mechanismen in Frage: So könnte eine Dysfunktion kardialer sympathischer Nerven mit der Lewy body Erkrankung in Verbindung stehen. Diese geht ihrerseits mit Demenz- Parkinsonsymptomen einher.
Auch eine obstruktive Schlafapnoe kann womöglich infolge der Hypoxie die Entstehung kognitiver Beeinträchtigungen begünstigen. Schließlich könnte Vorhofflimmern über Mikroembolien, die unbemerkt ins Gehirn kommen, dort eine Hypoperfusion und neuronale Schädigungen verursachen.
Die aktuellen Daten taugen jedoch nicht dazu, die immer noch offene Frage nach möglichen vorbeugenden Maßnahmen zu beantworten. Aus Sicht von Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, dem Direktor der Abteilung für Neurologie an der Universitätsklinik in Essen, ist der Ansatz dieser Studie sogar eher „ein alter Hut“.
Es gebe Hunderte von Publikationen über den Zusammenhang von vaskulären Krankheiten und Risikofaktoren und der vaskulären Demenz oder der vom Alzheimer Typ. Es fehlt jedoch noch immer die therapeutische Gegenprobe: „Es hat nur noch keiner nachgewiesen, dass die Behandlung der Patienten wegen ihrer Gefäßkrankheiten auch tatsächlich die Demenz verbessert.“