Einmal im Jahr zum Pap-Test, immunsupprimierte Frauen zweimal im Jahr – und alle zwei Jahre mit zusätzlichem Nachweis von Papillomaviren. So lautet die Empfehlung in Deutschland, wenn es um die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs und dessen Vorstufen im Rahmen der Sekundärprävention geht.
Seit bekannt ist, dass Humane Papillomaviren der Hauptrisikofaktor für Zervixkarzinome sind, diskutieren Experten darüber, ob sich auch ein HPV-Test für das Screening eignet und ob dieser einem zytologiebasierten Verfahren sogar überlegen ist. Bislang ist jedoch keine Empfehlung für eine bestimmte Screeningstrategie möglich. Es gibt viele Fragen, die sich um das Alter der Teilnehmerinnen ebenso drehen wie darum, in welcher Reihenfolge oder Kombination HPV- und Zytologie-Test eingesetzt und wie nach bestimmten Befunden weiter vorgegangen werden soll. Nicht zuletzt geht es auch um den zeitlichen Abstand der Untersuchungen. Und um die Evidenz der HPV-Impfung.
In den USA ist man inzwischen möglicherweise einen Schritt weiter. 2012 veröffentlichten die American Cancer Society (ACS) und die U.S. Preventive Services Task Force ihre überarbeiteten Guidelines und empfehlen, Frauen zwischen 21 und 65 Jahren alle 3 bis 5 Jahre zu screenen. Für die anderen Altersgruppen – unter 21 und über 65 – heißt es rigoros: „No Screening“ [1, 2].
Medscape Deutschland sprach mit Dr. med. Sabine Rothe, Oberärztin und Leiterin der Dysplasie-Sprechstunde in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im HELIOS Klinikum Berlin-Buch, über den Stellenwert des Pap-Tests in Deutschland und warum die Frauen insgesamt selten eine zytologische Untersuchung des Zervixabstrichs vornehmen lassen.

Medscape Deutschland: Frau Dr. Rothe, der Pap-Test gilt als wichtigste Maßnahme zur Früherkennung des Zervixkarzinoms. Ab welchem Alter wird er empfohlen?
Dr. med. Sabine Rothe: Der Gemeinsame Bundesausschuss empfiehlt, dass jede Frau ab dem 20. Lebensjahr einmal im Jahr die Untersuchung wahrnimmt. Die Kosten für die konventionelle Zytologie werden von den Krankenkassen übernommen. Zusätzlich kann eine Dünnschicht-Zytologie durchgeführt werden, die allerdings eine IGe-Leistung ist.
Medscape Deutschland: Dient der Test außer dem Nachweis von Tumorzellen weiteren Nachweisen?
Dr. Rothe: Er dient auch der Diagnostik des Hormonstatus und dem Auffinden von Infektzeichen oder mikrobiologischen Veränderungen.
Medscape Deutschland: Wie sicher und spezifisch ist das Verfahren?
Dr. Rothe: Die eine Frage ist, wie viele der wirklich auffälligen Zervixabstriche der Test sicher „herausfischt“. Die Zahl liegt leider nur bei 50 Prozent. In Bezug auf seine Spezifität ist er aber sehr gut: Ein auffälliger Abstrich ist mit relativ hoher Sicherheit mit einer Zellveränderung verbunden. Die Sensitivität lässt sich durch Wiederholungen erhöhen: Wer jedes Jahr die Vorsorgeuntersuchung in Anspruch nimmt, kann mit ziemlich sicheren Ergebnissen rechnen.
Medscape Deutschland: Wie ist die Akzeptanz bei den Frauen?
Dr. Rothe: Leider ist es so, dass nur die Hälfte aller Frauen in Deutschland am Präventionsprogramm teilnimmt. Das gilt besonders für postmenopausale Frauen. Es gibt kein Einbestellsystem, wie wir es für das Mammakarzinom-Screening haben. Die Frauen müssen eigeninitiativ zum Arzt, zu dem Zweck müssen sie wissen, dass es die Untersuchungen gibt. Gerade Frauen, die nicht mehr menstruieren, sehen häufig keinen Grund mehr für eine Früherkennung. Auch hier fehlt es nach wie vor an Aufklärung.
Medscape Deutschland: Ist der Test für ältere Frauen überhaupt notwendig?
Dr. Rothe: Wenn sie in fester Partnerschaft leben und immer einen unauffälligen Befund hatten, werden sie in aller Regel kein Zervixkarzinom entwickeln. Ausgeschlossen ist das aber nicht. Grundsätzlich rate ich aber gerade Patientinnen über 60 Jahren, jährlich zum Gynäkologen zu gehen, denn es geht um mehr als um den Pap-Test – zum Beispiel auch um Brustkrebs- und Kolonkarzinomvorsorge, Symptome der Harninkontinenz, Veränderungen am äußeren Genitale.
Medscape Deutschland: Was ist mit den hysterektomierten Frauen?
Dr. Rothe: Auch für sie sind die Vorsorgeuntersuchungen wichtig, denn Virusinfektionen sind nicht auf die Schleimhäute des Gebärmutterhalses begrenzt, sie können auch intravaginal oder am äußeren Genitale Krebsvorstufen verursachen. Der Abstrich wird dann vom Scheidenende genommen, um alle Veränderungen rechtzeitig zu erkennen.
Medscape Deutschland: Es wäre denkbar, dass Frauen sich nach erfolgter HPV-Impfung sicher wähnen und nicht mehr zum Pap-Test gehen. Wie schätzen Sie das ein?
Dr. Rothe: Man muss hervorheben, dass die HPV-Impfung nicht die Teilnahme am Früherkennungsprogramm ersetzen kann. Die beiden Maßnahmen – Impfung und Krebsvorsorge – müssen eng verzahnt bleiben, um einen optimalen Schutz vor Zervixkarzinom und dessen Vorstufen zu erreichen.
Medscape Deutschland: Wie könnten Ärzte die Teilnahmerate am PAP-Test erhöhen?
Dr. Rothe: Gynäkologen, Pädiater und auch die Hausärzte können im Gespräch und mit Hilfe von Informationsmaterialien beraten und informieren. Die Möglichkeit haben sie aber nur, wenn die Frauen zu ihnen kommen. Ein größerer Anteil ist durch die Politik zu leisten, die durch Kampagnen das Wissen an die Frau zu bringen oder sich um ein organisiertes Screening kümmern sollte.
Medscape Deutschland: Unter welchen Bedingungen bilden sich Zellveränderungen von selbst zurück?
Dr. Rothe: Die Wahrscheinlichkeit hängt vom Stadium der Zellveränderung ab. Bei gering- oder mittelgradigen Dysplasien kann es noch in 50 bis 56 Prozent eine spontane Regression geben, die hochgradigen Dysplasien haben ein Risiko von über 64 Prozent für eine bösartige Entwicklung. Eine wichtige Rolle spielt letztlich auch ein kompetentes Immunsystem. Deshalb wird die Patientin auch immer über Maßnahmen zur primären Prävention beraten, wie sie gesund leben kann.
Medscape Deutschland: Wann fällt die Entscheidung zur Operation?
Dr. Rothe: Bei auffälligem Pap-Test wird die Patientin idealerweise an die Dysplasie-Sprechstunde weitergeleitet, wo der Test unter Zuhilfenahme eines videobasierten Kolposkopie-Systems überprüft wird. Hieraus ergibt sich die Möglichkeit, die Patientinnen direkt über die Befunde zu informieren und Verlaufskontrollen am Bildmaterial durchzuführen. Die zytologische Untersuchung wird in aller Regel um einen HPV-Test erweitert. Es werden gezielt Proben entnommen, um eine sichere histologische Untersuchung durchführen zu können. Es erfolgt immer auch die persönliche Befundbesprechung und letztlich die Planung des individuellen Vorgehens, wenn eine intraepitheliale Neoplasie vorliegt.
Bei schwergradigen Dysplasien wird die Konisation empfohlen. Und auch wenn eine mittelgradige Krebsvorstufe über ein Jahr persistiert, würde man die operative Entfernung als Konus empfehlen. Die unmittelbaren operativen und postoperativen Risiken wie revisionspflichtige Nachblutungen oder Infektionen treten bei weniger als fünf Prozent auf. Es gibt auch langfristige Komplikationen, insbesondere was Schwangerschaften betrifft: Das Risiko der Zervixinsuffizienz, der Schlussunfähigkeit des Gebärmutterhalses, wird um fünf Prozent angegeben. Sie birgt ein Abort- und Frühgeburtsrisiko. Es besteht auch die Möglichkeit einer Vernarbung mit der Folge einer Unfähigkeit der Muttermundsöffnung unter der Geburt und der eventuellen Notwendigkeit einer Kaiserschnittentbindung.
Aber selbst ohne Schwangerschaft kann eine Stenose auftreten, bei der es auch zu Blutstau im Rahmen der Menstruation kommen kann, sodass eine Erweiterung des Muttermundes notwendig sein kann. Hier liegt das Risiko ebenfalls bei etwa fünf Prozent. Insgesamt sind das aber seltene Komplikationen.
Medscape Deutschland: Sehen Sie einen Veränderungsbedarf bei den Kriterien für den Pap-Test oder bei der Umsetzung der Kriterien? Reicht die Vorsorge in Deutschland aus?
Dr. Rothe: Bei auffälligen Befunden muss der Pap-Test um die zusätzliche Entnahme eines Virus-Suchtests erweitert werden. Es muss zur zytologischen Klärung eine Zuweisung in eine spezialisierte Dysplasie-Sprechstunde erfolgen. Ein auffälliger Pap-Test reicht nicht aus, um eine Behandlung zu beginnen. Das darf erst nach einer gesicherten Diagnose passieren. Hier gab es bereits deutliche Verbesserungen und die Zahl der Dysplasie-Sprechstunden bei spezialisierten Frauenärztinnen und Frauenärzten ist auch deutlich gestiegen, aber die Zuweisung erfolgt noch nicht flächendeckend. Außerdem würde ich mir wünschen, dass die Teilnahmerate an Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen weiter steigt, damit wir schließlich die Neuerkrankungs- und Sterberate am Zervixkarzinom verbessern können.