Herzstillstand bei Kindern im Krankenhaus: Wie lange sollte reanimiert werden?

Rainer Klawki | 31. Januar 2013

Autoren und Interessenskonflikte

Wenn Kinder mit Kreislaufstillständen im Krankenhaus reanimiert werden, sind die Überlebensaussichten und ein passables neurologisches Ergebnis offenbar abhängig davon, welche Grunderkrankung vorliegt und wie lange die Wiederbelebung dauert. Am günstigsten sind die Resultate in der Kinderherzchirurgie – am schlechtesten in der Traumatologie. Generell scheinen Wiederbelebungen im Durchschnitt 30 Minuten zu dauern.

Es ist nicht leicht, eine Zeitdauer für alle Fälle festzulegen

An US-amerikanischen Kliniken gilt die kardiopulmonale Reanimation von Kindern  nach einem Herzstillstand in der Klinik (in-hospital cardiac arrest, IHCA) mit einer Dauer von 20 Minuten Länge als nur noch wenig erfolgversprechend.  Dass diese Leitlinie offenbar nicht für alle Fachgebiete in der Medizin  gleichermaßen gelten sollte, hat jetzt eine Studie von Dr. Renee I. Matos vom Department of Critical Care Medicine der Universität von Pittsburgh, School of Medicine, und Kollegen ergeben. So scheinen zum Beispiel Kinder in der Chirurgie auch nach einer Reanimationsdauer von mehr als 20 Minuten den Herzstillstand mit gutem neurologischen Ergebnis zu überleben.

Mehr als 3400 reanimierte Kinder im Fokus

In der bisher größten Studie zu dieser Fragestellung, die am 22. Januar 2013 online in Circulation publiziert worden ist, wurden die Krankheitsgeschichten von 3419 Kindern aus 328 US-amerikanischen und kanadischen Kliniken ausgewertet. Zwischen Januar 2000 und Dezember 2009 war ein Register über die Akutereignisse in der Pädiatrie erstellt worden; die jungen Patienten hatten an einem Programm zur Implementierung von Leitlinien teilgenommen. Das Überleben bis zur Entlassung betrug  im Schnitt 27,9%. Knapp jeder 5. Patient mit Herzstillstand überlebte mit zufriedenstellendem neurologischen Ergebnis. Diejenigen, die zur Spontanatmung zurückkehrten, taten dies meist in der Anfangsphase der Reanimation.

Große Unterschiede in den einzelnen Fachgebieten

Bei der Auswertung wurden in einem weiteren Schritt die Patienten der 5 Fachbereiche Herzchirurgie, Kinderkardiologie, Allgemeinmedizin, Allgemeine Chirurgie und Unfallchirurgie gesondert betrachtet. Bei den Patienten aus der Herzchirurgie, die die Wiederbelebung überlebt hatten, lag der Anteil mit einem zufriedenstellenden neurologischen Ergebnis bei 70%, wenn die Reanimation weniger als 15 Minuten gedauert hatte. Wurde mehr als 35 Minuten reanimiert, waren es 60 Prozent. Die Patienten aus der Herzchirurgie hatten die besten Chancen, mit akzeptablem neurologischen Ergebnis zu überleben – dieses war um den Faktor 2,5 bzw. 2,7 besser als der Durchschnitt in den anderen Gruppen. Am schlechtesten schnitten die Trauma-Patienten ab – vermutlich weil hier auch die Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma erfasst worden waren. Sie hatten nach 1 Minute Reanimation bereits ein schlechteres Ergebnis als herzchirurgische Patienten nach 90 Minuten. Trotzdem wurden Trauma-Patienten von allen Gruppen am längsten reanimiert. 

Die Entscheidung im Einzelfall bleibt schwer

Weitere Resultate der Erhebung: Zwischen Minute 1 und 15 der kardiopulmonalen Reanimation sank die Überlebenswahrscheinlichkeit pro Minute um durchschnittlich 2,1%. Die Rate eines zufriedenstellenden neurologischen Ergebnisses verminderte sich um 1,2% pro Minute. Die adjustierte Wahrscheinlichkeit für das Überleben betrug nach den ersten 15 Minuten  41%. Eine  weitere Auswertung erstreckte sich auf die Zeit von 16 bis 35 Minuten. Bei mehr als 35 Minuten lag die Überlebenswahrscheinlichkeit noch bei 12%.

Die Forscher schließen daraus, dass die kardiopulmonale Reanimation, die länger als 20 Minuten dauert, nur in bestimmten Fachgebieten nicht vergeblich ist. Matos wies ebenfalls darauf hin, dass die Entscheidung im Einzelfall nicht leicht sei und auch die Studie nur Anhaltspunkte für eine Entscheidung im Einzelfall bieten kann.

Die adjustierte Odds Ratio für das Überleben oder die Krankenhausentlassung nach Fachgebiet und Dauer der kardiopulmonalen Reanimation (cardiopulmonary resuscitation, CPR):

Dauer der CPR

Herzchirurgie

Kardiologie

Chirurgie

Allgemein-medizin

Trauma

p-Wert

1-15 Min.

3,34

1,63

1,31

1

0,29

< 0,01

16-35 Min.

2,00

0,82

1,93

1

0,16

< 0,01

36-180 Min.

2,13

2,18

1,1

1

0,4

0,0377


Nach Einschätzung von Prof. Dr. med. Angelika Lindinger, Kinderkardiologin an der Universität des Saarlandes in Homburg/Saar, gibt es in den gültigen Leitlinien für die Reanimation von Kindern keine Festlegung auf eine Dauer der Maßnahmen. Trotzdem gebe es eine in Deutschland übliche Praxis, die in aller Regel 30 Minuten Wiederbelebung als einen praktikablen Wert ansieht, weil er die Überlebenschancen ausschöpft, aber auch noch ein passables neurologisches Ergebnis zulasse. „Man reanimiert üblicherweise nicht länger als 30 Minuten, da eben bekannt ist, dass dies nicht viel Sinn macht und insofern unterstützt diese Studie ja auch die bisher gehandhabte Version“, so Lindinger im Gespräch mit Medscape Deutschland als Kommentar zu der Erhebung von Matos.

Wo die gültigen Leitlinien zu finden sind

Der derzeit gültige Consensus  on CPR  Science with Treatment Recommendations (CoSTR) wurde 2010 auf der Basis neuer wissenschaftlicher Daten aktualisiert und am 18. Oktober 2010 international veröffentlicht. Die deutsche Übersetzung der aktuellen Leitlinien ist über die Webseite des Deutschen Rates für Wiederbelebung (German Resuscitation Council, GRC) im Volltext verfübar unter: www.grc-org.de.

Referenzen

Referenzen

  1. Der derzeit gültige Consensus  on CPR  Science with Treatment Recommendations (CoSTR) wurde 2010 auf der Basis neuer wissenschaftlicher Daten aktualisiert und am 18. Oktober 2010 international veröffentlicht. Die deutsche Übersetzung der aktuellen Leitlinien ist über die Webseite des Deutschen Rates für Wiederbelebung (German Resuscitation Council, GRC) im Volltext verfübar unter: www.grc-org.de
  2. Matos, RI, et al: Duration of CPR and illnes category impact survival and neurologic outcomes for in-hospital pediatric cardiac arrests. Circulation 2013; http://circ.ahajournals.org/content/early/2013/01/22/CIRCULATIONAHA.112.125625.abstract
  3. Biarent D, et al: European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2010 Section 6. Paediatric life support. Resuscitation 2010;81:1364-1388. https://www.erc.edu/index.php/docLibrary/ru/viewDoc/1195/3/ 
  4. Hoffmann F, et al: Monatsschrift Kinderheilkunde. Mai 2011;159(5):479-487
    http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00112-010-2346-6

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