Risiko Ovarialkrebs: Wann ist eine prophylaktische Adnexektomie sinnvoll?

Anja Laabs | 14. Januar 2013

Autoren und Interessenskonflikte

Das zunehmende Wissen um genetisch prädisponierende Faktoren zwingt Patienten und ihre Ärzte immer häufiger dazu, über sinnvolle Überwachung und Prophylaxe im Falle eines erhöhten genetischen Risikos für bestimmte Erkrankungen nachzudenken. Aber oft existieren nur unbefriedigende Lösungen. Ein Beispiel ist der Eierstockkrebs. Eine im JAMA Internal Medicineerschienene deskriptive Studie untersuchte, welchen medizinischen Prozeduren sich die Frauen nach einer genetischen Testung in Abhängigkeit vom Ergebnis anschließend unterzogen [1].

Ein entscheidender Pluspunkt dieser Studie sei, so der Erstautor Dr. Gabriel Mannis gegenüber Medscape Deutschland, dass sie das Fehlen von standardisierten, evidenzbasierten Empfehlungen für Frauen mit einem potentiell höheren durchschnittlichen Risiko für Eierstockkrebs nicht herunterspiele. „Ich glaube“, so Mannis weiter, „dass viele Frauen Screeningtests bis hin zur Adnexektomie oder Salpingoophorektomie erhalten, obwohl Beweise für deren Wirksamkeit fehlen.“

Diese Erkenntnis gründet auf den Ergebnissen der Untersuchung von 1.077 Frauen, nachdem bei ihnen mit Hilfe eines Gentests festgestellt wurde, ob und inwiefern eine Mutation des Brustkrebsgens ( BRCA1 oder 2) vorliegt. Denn BRCA-Mutationen verändern nicht allein das Risiko, ein Mammakarzinom zu entwickeln. Trägerinnen der BRCA1 Mutation haben ein lifetime Risiko von 40%, einen Ovarialkrebs zu bekommen, bei BRCA2 Mutation beziffert sich dieses auf 20%. Zum Vergleich: In der weiblichen Allgemeinbevölkerung beträgt dieses Risiko 1-2%.

Basierend auf einer Fragebogenanalyse, wurden die Resultate des BRCA Tests in 4 Kategorien eingeteilt. Der Test war positiv, wenn eine BRCA1 oder 2 Mutation vorlag. Konnte bei einer Teilnehmerin keine BRCA-Mutation festgestellt werden, obwohl eine familiäre Vorbelastung für BRCA-Mutationen bestand, war der Test echt-negativ.

Ein nicht verwertbares oder nicht aussagekräftiges Testergebnis – in der Studie wurde es als „nicht-informativ“ bezeichnet - lag vor, wenn bei den Frauen zwar keine BRCA Mutation nachweisbar war, es aber keine Kenntnisse über den Mutationsstatus der Familie gab. Als nicht eindeutig galt ein genetisches Testergebnis auch dann, wenn bei den Frauen zwar Veränderungen des Erbgutes festgestellt werden konnten, deren Auswirkungen auf den Effekt der BRCA-Proteinfunktion aber unbekannt sind (so genannte unklassifizierte Varianten).

Diese beiden Gruppen wurden in der Studie zu einer als „nicht-informativ“ bzw. unklar bezeichneten Gruppe zusammengefasst. Danach wurde verfolgt, welchen Interventionen zur Risikominderung bzw. welchen Screeningtests sich die Frauen unterzogen. Dazu zählen die risiko-reduzierende Adnexektomie oder Salpingoophorektomie (RRSO), das Screening durch transvaginalen Ultraschall (TVUS) und das Screening mittels Tumormarker für das Cancer-Antigen-125 (CA-125).

Unklare BRCA Tests widersprechen prophylaktischer Chirurgie

Von den 1.077 Studienteilnehmerinnen, wurden 201 (18,7%) positiv in Bezug auf eine BRCA1 oder BRCA2 Mutation getestet. Bei 103 (9,6%) Frauen fiel das Ergebnis echt-negativ aus, bei 59 (5,5%) Frauen lag eine unklassifizierte Variante vor und bei 714 (66,3%) Frauen ein nicht-informatives Ergebnis. Die letztgenannten Gruppen wurden zusammengefasst, so hatten also 773 Frauen (71,8%) ein unklares Testergebnis. Von den Frauen mit eindeutig positivem Testergebnis unterzog sich die Mehrheit, nämlich 69,6%, einer RRSO. Von den Frauen mit unklarem Testergebnissen entschieden sich 12,3% und mit echt-negativen Resultaten 2% der Frauen für eine prophylaktische Operation. Keine der Frauen mit unklarem Testergebnis entwickelte während der Nachbeobachtungszeit von 3,7 Jahren Ovarialkrebs.

Von allen Studienteilnehmerinnen unterzogen sich 39,6% mindestens einem der genannten Screeningverfahren. Bei Vorliegen einer BRCA Mutation unterzogen sich 26,3% der Frauen dem Screening durch transvaginalen Ultraschall und 26,3% dem durch Tumormarker, und zwar mindestens 3 Mal während des Studienzeitraums. Teilnehmerinnen mit einem unklaren Testresultat ließen sich nach dem BRCA-Test während des Untersuchungszeitraums 3 Mal oder häufiger serologisch (10,4%) oder durch Ultraschall (6,5%) screenen.

„Die große Mehrheit der Frauen“, so interpretiert Mannis die Studienergebnisse, „hatte in Bezug auf den BRCA Test unklare Resultate. Das heißt, sie haben keine bekannte BRCA Mutation, wenngleich sie eine deutliche persönliche oder familiäre Geschichte haben können, in denen Brust-oder Eierstockkrebs vorkommt“. Auch wenn diese Frauen nach Mannis Auffassung eine sehr heterogene und gefährdete Bevölkerungsgruppe darstellt, sei klar, dass bei ihnen das Risiko für eine künftige Krebserkrankung unbekannt ist und deshalb keine eindeutigen Empfehlungen für das Screening und/oder für prophylaktische Operationen ausgesprochen werden können.

Dieser Ansicht ist auch Prof. Dr. med. Rita Schmutzler, Direktorin des Zentrums für Familiären Brust- und Eierstockkrebs des Universitätsklinikums Köln und Koordinatorin der 15 spezialisierten Zentren für familiären Brust- und Eierstockkrebs in Deutschland: „Weil es bislang keine Daten zur Inzidenz des Ovarialkarzinoms bei nicht-informativem BRCA Test und keinen Beweis dafür gibt, dass die Entfernung der Eierstöcke als prophylaktische Maßnahme sinnvoll ist, ist sie abzulehnen.“

Ein solcher Eingriff sei aus Schmutzlers Sicht nur bei belegtem Risiko und bei Frauen ab 40 Jahren bzw. nach abgeschlossener Familienplanung gerechtfertigt. Auch das Screening mittels Ultraschall und Tumormarker sei deshalb nicht indiziert, weil diese Methoden zur Früherkennung des Eierstockkrebses ungeeignet seien. Screeningtests „aus dem Bauch heraus“ würden, so Schmutzler, sogar eher schaden als nützen, weil diese für die Frauen eine unverhältnismäßig große physische und psychische Belastung darstellten. Häufig führten dann falsch positive Befunde zu weiteren belastenden Untersuchungen bis hin zu diagnostisch operativen Eingriffen.

Keine Empfehlungen für Screeningtests

Wie in den USA, gibt es auch hierzulande keine Empfehlungen für ein Screening. In den Leitlinien zur Diagnostik und Therapie maligner Ovarialtumoren werden  Sreeningtests selbst für die Hochrisikogruppe abgelehnt, weil es die Mortalität nicht verringert [2]. Hingegen wird die prophylaktische bilaterale Adnexektomie nach abgeschlossener Familienplanung als scheinbar „effektivste Methode zur Senkung des Erkrankungsrisikos und der Mortalität bei hereditärem Ovarialkarzinom“ empfohlen.

Aktuelle jedoch noch nicht abgeschlossene Studien zeigen allerdings, so Prof. Dr. Barbara Schmalfeldt, Leiterin des Bereichs Onkologische Gynäkologie der Frauenklinik und Poliklinik der Technischen Universität München, dass eine Kombination aus differenziertem Ultraschall und einer differenzierten Tumormarkerbestimmung eine effiziente Screeningmethode sein könnte.

Noch gäbe es aber keine Daten, die nachweisen, dass diese Kombination zu einer Mortalitätsreduktion führt. Deshalb sei die Tumorrisikoberatung das einzige und wichtigste Mittel, um bei vorliegenden Mutationen noch vor der Entstehung von Krebs intervenieren zu können. Die Adnexektomie, so Schmalfeldt, schütze immerhin mit einer bis zu 80%igen Sicherheit vor Brust- und Ovarialkrebs.

Prophylaxe ja, aber nicht um jeden Preis

Auch wenn in der vorliegenden Studie klare prospektive Tumorinzidenzraten für die unterschiedlichen Risikogruppen fehlen, so erfasse sie sehr schön, betont Schmutzler, wie Menschen mit prophylaktischen Maßnahmen umgehen, wenn sie  ein negatives Testergebnis haben. Denn diese ließen sich nach Datenlage der Studie und im Vergleich mit der Gruppe der Teilnehmerinnen mit unklaren Testergebnissen signifikant weniger häufig auf eine prophylaktische Adnexektomie ein. Gleichfalls seltener wählten sie eines der Screeningverfahren.

Das mache auch aus Sicht der Studienautoren Sinn, weil das Krebsrisiko bei diesen Frauen nicht höher als beim Rest der Bevölkerung, also bei etwa 1 bis 2% liege. Der unkritische Umgang mit Screeningmethoden durch niedergelassene Fachärzte, müsse nach Schmutzlers Auffassung in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt werden. Hier müsse ein Umdenken einsetzen.

Sowohl der Erstautor der Studie, als auch die beiden deutschen Spezialistinnen ommen zu dem Schluss, dass nur über eine professionelle Beratung und Analyse des individuellen Krebsrisikos aufgrund von Eigenanamnese und Familiengeschichte die Entscheidung für eine prophylaktische Adnexektomie sinnvoll gefällt werden kann. Voraussetzung ist jedoch die verlässlicher Erhebung des Risikostatus. Zu einer solchen Beratung in entsprechenden Kompetenzzentren, die nur von Spezialisten durchgeführt werden sollte, gehört auch die Aufklärung über die Risiken und den (zweifelhaften) Nutzen von Screeningtests.

Referenzen

Referenzen

  1. Mannis GN, et.al: JAMA Internal Med. (online) 17. Dezember 2012
    http://dx.doi.org/10.1001/2013.jamainternmed.962
  2. [2] Empfehlungen für die Diagnostik und Therapie maligner Ovarialtumoren (Kommission Ovar der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e.V., Juni 2011)
    http://www.ago-online.de/fileadmin/downloads/leitlinien/ovar/ovar_empfehlungen_maligner_tumoren_de_11.pdf

Autoren und Interessenskonflikte

Anja Laabs
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Prof. Dr. med. Barbara Schmalfeldt
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Prof. Dr. med. Rita Schmutzler
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Dr. G. Mannis
Es liegen keine Angaben über Interessenkonflikte vor.

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