Folfirinox beim Pankreaskarzinom: Bessere Lebensqualität trotz stärkerer Nebenwirkungen?

Dr. Erentraud Hömberg | 9. Januar 2013

Autoren und Interessenskonflikte

Das fortgeschrittene Pankreaskarzinom hat nach wie vor eine schlechte Prognose. Ein Behandlungsprotokoll mit 4 Zytostatika zeigte 2010 eine Lebensverlängerung um 4 Monate, allerdings um den Preis starker Nebenwirkungen. Aktuell wurde jetzt eine Untersuchung publiziert, in der die Lebensqualität unter dieser Mehrfachtherapie aber als besser klassifiziert wurde als unter Gemcitabin. Medscape Deutschland bat 2 Experten um Stellungnahmen zu dieser Therapieform.

Obwohl Tumoren der Bauchspeicheldrüse mit jährlich 14.000 Neuerkrankungen nur 3% der Krebserkrankungen in Deutschland ausmachen, sind sie die vierthäufigste Krebstodesursache. Das mittlere Erkrankungsalter liegt für Männer bei 69, für Frauen bei 76 Jahren. Über 95% der Malignome des Pankreas sind duktale Adenokarzinome, etwa 70% entstehen im Pankreaskopf. Da charakteristische Frühsymptome fehlen, wird das Pankreaskarzinom meist sehr spät entdeckt. Nur bei 15-20% der Patienten kann der Tumor noch operiert und anschließend bestrahlt werden. Ihre mediane Überlebenszeit beträgt bis zu 2 Jahre. Patienten mit einem nicht resektablen, lokal fortgeschrittenen Tumor (15-20%) überleben im Schnitt 9-11 Monate. Die Mehrzahl allerdings (60-70%) leidet an einer primär metastasierten Erkrankung; ihre durchschnittliche Lebenserwartung beträgt nur 5-8 Monate. Als wichtige Prognosefaktoren bei der Erstdiagnose gelten der Allgemeinzustand, Gewichtsverlust, Schmerzen und die Tumormarker (CA19-9).

Im fortgeschrittenen Stadium führt eine palliative Chemotherapie zu einer Verlängerung der Überlebenszeit und einer Verbesserung der Lebensqualität. Seit in Studien gezeigt wurde, dass die Therapie mit Gemcitabin weit weniger Nebenwirkungen verursacht als jene mit 5-Fluoruracil (5-FU)/Folinsäure, gilt diese Behandlung als Standard. Die Remissionsraten liegen dabei zwischen 5 und 10%, die mittlere Überlebenszeit beträgt 6 Monate.

Vier Monate Lebensverlängerung mit Folfirinox

Eine Alternative zur Behandlung mit Gemcitabin stellt das Behandlungskonzept Folfirinox dar, eine Kombination von Fluoruracil, Folinsäure (Leucovorin), Irinotecan und Oxaliplatin. In einer Phase-3-Studie eines französischen Forscherteams aus dem Jahr 2010 konnte damit die Überlebenszeit um knapp 4  Monate verlängert werden – allerdings um den Preis massiver Nebenwirkungen [1].

 
Die Gruppe, die Folfirinox erhielt, fühlte sich besser, was ihren gesamten Gesundheitszustand betraf.
 

„Patienten in einem sehr guten Allgemeinzustand sind gute Kandidaten auch für eine aggressive Therapie, und Folfirinox ist eines  der vielversprechendsten Chemotherapeutika, die wir haben“, sagte Prof. Dr. Volker Friess, Direktor der Chirurgischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum rechts der Isar in München. Allerdings betonte er, dass „wir sorgsam schauen sollten, wie es den Patienten unter der Therapie geht. Geht es ihnen gut, ist Folfirinox eine sehr sinnvolle Therapie. Wenn sie darunter stark leiden, muss man sie modifizieren“.

Die aktuelle Studie zur Lebensqualität mit Folfirinox

Im Januar 2013 erschien im Journal of Oncology eine Studie zur Lebensqualität von Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom unter der Behandlung mit Folfirinox im Vergleich zur Therapie mit Gemcitabin [2]. Während der Studie mussten die Patienten alle 2 Wochen einen Fragebogen mit jeweils 30 Fragen zu ihren Symptomen und ihrem Gesundheitszustand beantworten.

Patienten beider Gruppen zeigten Verbesserungen ihrer spezifischen Symptome wie Schmerzen und Gewichtsabnahme, doch nur die Gruppe, die Folfirinox erhielt, fühlte sich besser, was ihren gesamten Gesundheitszustand betraf. Und die Zeit bis zur definitiven Verschlechterung war bei den mit Folfirinox behandelten Patienten signifikant länger als bei der Gemcitabin-Vergleichsgruppe. In anderen Worten: Die zusätzliche Toxizität, die mit der aggressiveren Chemotherapie verbunden ist, scheint sich mit der effektiveren Kontrolle der krebsbedingten Symptome abzuschwächen.

Allerdings leidet diese Untersuchung, wie so viele andere, am Problem der Selektion: Patienten, die während der Laufzeit so stark erkrankten, dass sie den Fragebogen nicht mehr ausfüllen konnten, wurden ausgeschlossen. Ebenso jene, die die Therapie abbrechen mussten, weil die Nebenwirkungen zu stark waren. „Man ist in der Medizin immer ein wenig dazu geneigt, eine Studie zu machen mit einer hohen Selektion, dann kommt ein tolles Ergebnis heraus und man vergisst die Selektion“, so der Kommentar von Friess. Auch PD Dr. Helmut Oettle, niedergelassener Onkologe aus Friedrichshafen, Dozent an der Charité und Mitverfasser der Leitlinien zum Pankreaskarzinom, wunderte sich über die guten Daten dieser Studie: „Ich kann sie nicht nachvollziehen. Das hört sich gut an, doch in der Studie steckt viel Fehlerpotential“.

Dosisreduktionen verfälschen die Effektivität

Die Spezialisten stimmten damit überein: Folfirinox ist ein äußerst toxisches Behandlungskonzept. „Aufgrund der starken Nebenwirkungen sind immer wieder Dosisreduzierungen notwendig“, so Oettle, „doch die dosisreduzierten Schemata sind ja gar nicht auf ihre Wirksamkeit hin überprüft. Folfirinox wird jetzt arg hochgejubelt, aber für mich ist es keine Therapie, die ich bei Patienten in schlechtem Gesamtzustand einsetzen würde.“

Selbst bei Studien wird selten das vorgegebene Schema geradlinig durchgezogen. „Bei vielen Patienten gibt es dann mal eine Pause, eine Dosisreduktion oder die Chemotherapie wird nicht bis zum Ende des nächsten Zyklus durchgeführt. Das ist sehr häufig, ja, eigentlich fast immer der Fall“, konstatierte Friess: „Doch wenn ich die Dosis reduziere, stellt sich die Frage: Reduziere ich nur die Nebenwirkungen oder auch die Effizienz? Das weiß keiner.“

Folfirinox – eine gute Option für die neoadjuvante Therapie

Folfirinox stellt allerdings eine gute Option dar, wenn es darum geht, den Tumor zu verkleinern und ihn resektabel zu machen. „Mit der neoadjuvanten Therapie habe ich mit diesem Regime schon sehr gute Erfahrungen gemacht. Das ist für mich eine primäre Indikation für dieses Behandlungskonzept“, so Oettle.

 
Folfirinox stellt allerdings eine gute Option dar, wenn es darum geht, den Tumor zu verkleinern und ihn resektabel zu machen.
 

Friess konnte dies nur bestätigen. Seine Arbeitsgruppe hat eine Metanalyse und einen systematischen Review zur neoadjuvanten Therapie durchgeführt, bei der viele kleine Studien zusammengefasst wurden. Danach erreicht man mit Folfirinox beim fortgeschrittenen Pankreaskarzinom bei etwa 30% der Patienten ein Downstaging, also eine Verkleinerung des Tumors, damit er operabel wird. „Die Überlebenszeit ist dann nicht schlechter als bei einem primär resektierten Tumor. Im Schnitt sind das 2 Jahre, mehr geht leider nicht. So gut die Medikamente sind, beim Pankreaskarzinom wirken sie sehr limitiert. Das ist für Patienten und Ärzte sehr frustrierend. Am Ende bleibt uns nur noch, das Sterben zu begleiten“, so das Fazit von Friess.



Referenzen

Referenzen

  1. Conroy T et al: J Clin Oncol. 2010;28:15s (suppl; abstr 4010)
    http://www.asco.org/ASCOv2/Meetings/Abstracts?&vmview=abst_detail_view&confID=74&abstractID=41562
  2. Gourgou-Bourgade S et al: J Clin Oncol. 2013;31:23-29.
    http://dx.doi.org/10.1200/JCO.2012.44.4869

Autoren und Interessenskonflikte

Dr. Erentraud Hömberg
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Es liegen keine Erklärungen vor.

Prof. Dr. Volker Friess, PD Dr. Helmut Oettle:
Es liegen keine Erklärungen vor

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