Hat Zunahme von AIDS mit der Wechselwirkung von Syphilis und HIV zu tun?

Ute Eppinger | 10. Dezember 2012

Autoren und Interessenskonflikte

Berlin – AIDS ist weiterhin auf dem Vormarsch, auch in Deutschland. Ende 2012 sind in Deutschland 78 000 Menschen HIV-infiziert, schätzt das Robert Koch-Institut (RKI) im Epidemiologischen Bulletin [1]. Seit Mitte der 90er Jahre steigt damit die Gesamtzahl der an AIDS erkrankten Menschen. Dass der Anstieg anhält, sei zunächst einmal ein gutes Zeichen, denn seit der Verfügbarkeit wirksamer Therapien ist die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen höher als die Zahl der Todesfälle. Wie das Institut weiter mitteilte, erhalten in Deutschland derzeit 50 000 Menschen eine HIV-Therapie. Von den weiteren 28 000 Infizierten allerdings wisse die Hälfte nicht, dass sie infiziert sind. Die anderen 14.000 Betroffenen lassen sich bewusst nicht behandeln.

Von den 78.000 HIV-Infizierten in Deutschland sind schätzungsweise 63.000 Männer, 15.000 Frauen und 200 Kinder. Rund zwei Drittel (51.000) der mit HIV lebenden Menschen in Deutschland sind Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). Sie stellen damit weiterhin die größte betroffene Gruppe in Deutschland. Dann folgen Personen, die sich über heterosexuelle Kontakte infiziert haben (17.000) und Menschen, die intravenös Drogen konsumieren (IVD; 8.400), Menschen mit Hämophilie und Empfänger von Bluttransfusionen (450) sowie Mutter-Kind-Transmissionen (420).

Geschätzte Zahl der HIV-Neuinfektionen

Nach einem Anstieg zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts hat die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland ab 2004/2005 ein Plateau erreicht. Seitdem bleibt die Zahl der Neuinfektionen weitgehend stabil. Das RKI rechnet für 2012 mir rund 3.400 Neuinfektionen, das wären etwa 100 mehr als 2011 und 250 mehr als 2010. Die überwiegende Mehrheit bei den Neuinfektionen entfällt auf Männer (3.000), etwa 410 Frauen dürften betroffen sein. Als Hauptinfektionswege nennt das RKI homosexuelle Kontakte (2.500), heterosexuelle Kontakte (630) und Drogengebrauch (210).
Die Zahl der Todesfälle liegt gegenüber dem Vorjahr unverändert bei etwa 550. „Die Zahlen unterstreichen, dass die Anstrengungen zur Vermeidung von Infektionen weiterhin hohe Priorität und ausreichende Finanzierung erfordern“, erklärt Reinhard Burger, Präsident des Robert Koch-Instituts.

Unterschiedliche Entwicklungstrends in den Betroffenengruppen

Die Neuinfektionen entwickelten sich in den 3 Hauptbetroffenengruppen in Deutschland unterschiedlich. Bei MSM und IVD wurde Mitte der 1980er Jahre ein Infektionsgipfel erreicht. Bis Anfang der 90er Jahre ging die Zahl der Neuinfektionen in diesen beiden Gruppen sogar leicht zurück. Bei IDV blieb seitdem die Zahl der HIV-Neuinfektionen auf niedrigem Niveau weitgehend konstant. Anders sieht der Verlauf bei MSM aus: Dort wurde in den 90er Jahren ein Plateau erreicht, eine Zunahme folgte und schließlich ab 2004 eine Stagnation der Neuerkrankungen. Seit 2011 allerdings steigt die Zahl der Neuinfektionen wieder.
Auf gleichbleibendem, niedrigem Niveau bewegt sich die Zahl der auf heterosexuellem Wege infizierten Personen seit Ende der 80er Jahre. Das unterstreicht die bisherige Einschätzung des RKI, dass eigenständige heterosexuelle Infektionsketten keine größere Bedeutung erlangt haben und sich die Epidemie unter Heterosexuellen im Wesentlichen aus sexuellen Kontakten mit den beiden Hauptbetroffenengruppen IVD und MSM sowie mit Personen aus Regionen mit eigenständigen heterosexuellen Epidemien speist.

Wechselwirkung zwischen Syphilis und HIV

Der leichte Anstieg seit 2011 hänge wahrscheinlich mit dem erneuten deutlichen Anstieg der Syphiliszahlen seit Anfang 2010 zusammen, berichtet das RKI. Bei HIV-Infizierten führt eine Syphilis zu einer Immunaktivierung und zu Schleimhaut-Läsionen, die sowohl Syphilis-Erreger als auch HIV enthalten können. Bleibt eine HIV-Infektion unbehandelt, vergrößert sich durch eine zusätzliche Syphilis also die HIV-Infektiosität, und AIDS kann leichter übertragen werden.

Doch auch bei nicht HIV-Infizierten steigert eine Syphilis die Empfänglichkeit für HIV. Denn durch die Immunaktivierung führt sie zu einer verstärkten Expression des CD4-Rezeptors auf Immunzellen in Haut und Schleimhaut. Damit kann der HI-Virus leichter an Zielzellen andocken, was eine Infizierung des Syphiliskranken wahrscheinlicher macht. Die schnelle Diagnose und Therapie von Syphilis und anderen sexuell übertragbaren Infektionen könne dem Anstieg der HIV-Neuinfektionen deshalb entgegenwirken, verlautet aus dem RKI.

Hohe Dunkelziffer

Das Fazit des RKI bezüglich der Dunkelziffer fällt insgesamt ernüchternd aus: Trotz der in den letzten Jahren verstärkten Bemühungen, bislang nicht diagnostizierte HIV-Infizierte möglichst früh zum Test zu motivieren und sich in medizinische Behandlung zu begeben, ist die Zahl der nicht diagnostizierten HIV-infizierten Personen gestiegen. Es infizieren sich deutlich mehr Menschen mit HIV als positiv auf HIV getestet und anschließend antiretroviral behandelt werden. 14.000 Betroffene in Deutschland wissen nicht, dass sie infiziert sind bzw. erfahren dies aufgrund der langen Zeit, die zwischen Ansteckung und Test vergehen kann, erst spät. Die frühe Testung und Behandlung reiche allein nicht aus, um das Infektionsgeschehen wirksam einzudämmen, stellt das RKI klar und schließt:
„Die verminderte Infektiosität unter HIV-Therapie ist kein Grund, auf die Verwendung von Kondomen zu verzichten. Die Motivation zum Schutz mit Kondomen muss weiterhin ein wichtiger Bestandteil der HIV- und STI-Präventionsstrategie in Deutschland bleiben.“ (sexually transmitted infections, STI)

Referenzen

Referenzen

    Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch-Instituts
    26. 11. 2012 / Nr. 47
    http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2012/Ausgaben/47_12.pdf?__blob=publicationFile

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Ute Eppinger
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