Schwangere, die an einer bipolaren Störung leiden, haben ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten; auch muss bei ihnen die Geburt häufiger künstlich eingeleitet werden oder per Kaiserschnitt erfolgen, so das Ergebnis einer populationsbasierten Kohortenstudie aus Schweden, die jetzt im British Journal of Medicine veröffentlicht wurde. Darüber hinaus hat der Studienleiter Dr. Robert Bodén vom Department of Neuroscience, Psychiatry der Universität Uppsala mit seinen Kollegen festgestellt, dass die Neugeborenen unbehandelter bipolarer Mütter häufiger an einer Mikrozephalie oder an Hypoglykämie litten, als die Babys in der Kontrollgruppe.
„Die bipolare Krankheit bei Schwangeren war unabhängig davon, ob sie behandelt wurde oder nicht, mit einem erhöhten Risiko für einen ungünstigen Ausgang der Schwangerschaft assoziiert“, schlussfolgern die Wissenschaftler in ihrer Publikation.
Frühere Studien hatten zwar einen Zusammenhang nahe gelegt zwischen den typischerweise bei der manisch-depressiven Krankheit verschriebenen Arzneimitteln wie Lithium, Antikonvulsiva und Antipsychotika sowie Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt. Für unbehandelte Frauen gibt es aber nur wenige Daten. Der Einfluss der Krankheit im Gegensatz zur Medikation blieb deshalb unklar.
Worin besteht das Risiko für Schwangere bei bipolarer Störung?
„Soweit wir wissen, wurde bisher nicht versucht zu unterscheiden zwischen dem Einfluss möglicher nachteiliger Effekte der Krankheit selbst, dem Gebrauch von Medikamenten, den assoziierten schädlichen Verhaltensweisen und der Komorbidität“, schreiben die schwedischen Forscher.
Sie haben deshalb Daten aus 3 landesweiten Registern zusammengeführt, in denen die Geburten von 332.137 Frauen in den Jahren 2006 bis 2009 ebenso erfasst sind wie die verschriebenen Medikamente und der Gesundheitszustand der Neugeborenen.
Separat ausgewertet wurden 320 bipolare Frauen, die stimmungsstabilisierende Arzneien bekommen haben und 554 unbehandelte Bipolare, wobei alle anderen Frauen mit ihren Neugeborenen als Vergleichsgruppe dienten. Da bipolare Mütter häufiger rauchen, Alkohol oder andere Substanzen missbrauchen und öfter übergewichtig sind, wurden diese Faktoren in der statistischen Analyse mit eingerechnet.
Weitaus häufiger als in der Kontrollgruppe musste bei den bipolaren Müttern die Geburt künstlich eingeleitet werden, per Kaiserschnitt erfolgen oder mit Hilfe von Zange bzw. Saugglocke. Dies war bei 37,5% der behandelten und 30,9% der unbehandelten manisch-depressiven Frauen der Fall, gegenüber 20,7% in der Kontrollgruppe.
Frühgeburten waren unter den psychisch kranken Müttern um 50% häufiger, nämlich bei 8,1% derer, die Medikamente nahmen, 7,6% unter denen, deren bipolare Störung unbehandelt geblieben war sowie 4,8% der anderen Frauen in der Kontrollgruppe ohne eine einschlägigeStörung.
Mehr Fehlbildungen unter medikamentöser Therapie
Unbehandelte bipolare Schwangere gebaren signifikant häufiger Kinder mit einer Mikrozephalie und mit einer Neugeborenen-Hypoglykämie. Unter den behandelten Frauen dagegen fand sich ein leicht erhöhtes Risiko für Frühgeburten und Geburtsfehler. Das Risiko für sämtliche Fehlbildungen errechneten Bodén und Kollegen in dieser Gruppe mit 3,4 % gegenüber 1,9 % bei unbehandelten Frauen und 2,0 % in der Kontrollgruppe.
In der Gruppe der behandelten Frauen waren die am häufigsten genutzten Arzneien während der Schwangerschaft Lamotrigin und Lithium (je 40%) sowie Antipsychotika (39%) gewesen.
In der Gesamtbilanz sei „die stimmungsstabilisierende Behandlung wahrscheinlich nicht der einzige Grund für das erhöhte Risiko von Problemschwangerschaften und –Geburten bei Müttern mit bipolarer Krankheit“, folgern die Autoren. Auch räumen sie ein, dass der Einfluss der Medikamente immer noch unklar ist.
Die Frage lautet nicht, ob man behandeln solle oder nicht, kommentiert ebenfalls im British Medical Journal Dr. Salvatore Gentile, Leiter des Zentrums für Geistige Gesundheit Cava de´ Tirreni im italienischen Salerno. „Es ist klar, dass die vorbeugende Behandlung mit psychotropen Arzneien für alle bipolaren Schwangeren aktiv unterstützt werden sollte“, so Gentile. Da es keine risikofreien Medikamente gebe, könne der Kliniker lediglich darauf hoffen, weniger schädliche zu finden.