Bohnen, Kichererbsen und Linsen sollten bei Typ-2-Diabetikern öfters auf dem Speiseplan stehen. Denn im Rahmen einer Ernährung mit niedrigem glykämischem Index (GI) geht ein gesteigerter Verzehr von Hülsenfrüchten offenbar mit einer besseren Blutzuckereinstellung und einem geringeren Risiko für Herzerkrankungen einher. Das legen die Ergebnisse einer amerikanischen Studie nahe, die Ende Oktober online in Archives of Internal Medicine erschienen ist.
Der GI gibt die Wirkung an, die ein kohlenhydrathaltiges Lebensmittel auf den Blutzuckerspiegel hat – je höher der GI, desto stärker steigt der Blutzucker nach Verzehr dieses Lebensmittels an. „Welchen GI-Wert ein Lebensmittel hat, hängt von Gehalt und Art der darin enthaltenen Ballaststoffe ab, der Art der Stärke und dem Protein- und Fettgehalt. Denn all diese Faktoren beeinflussen die Absorptionsrate“, erklärt Erstautor Dr. David Jenkins von der University of Toronto.
Bedeutung des GI wissenschaftlich gut belegt
„Die Bedeutung des GI wurde schon in zahlreichen Studien deutlich. Eine der größten Untersuchungen war DIOGENES. In dieser Studie mit 700 Familien erlaubte eine Ernährung mit niedrigem GI nach einer Gewichtsreduktion nicht nur, das neue Gewicht zu halten sondern senkte auch die Konzentration des C-reaktiven Proteins im Blut“, bestätigte Prof. Dr. Andreas Pfeiffer vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) im Gespräch mit Medscape Deutschland. „Im Jahr 2009 bestätigte auch eine Cochrane-Analyse, dass die Blutzuckereinstellung von Diabetikern von einer Ernährung mit niedrigem GI profitiert.“
Hülsenfrüchte gehören zu den Lebensmitteln mit dem niedrigsten GI. In vielen nationalen Diabetes-Leitlinien wird ihr Verzehr explizit empfohlen.
Jenkins und seine Ko-Autoren schlossen in ihre randomisiert-kontrollierte Studie 121 Patienten mit Typ-2-Diabetes ein. Sie wollten herausfinden, wie ein vermehrter Verzehr von Hülsenfrüchten sich auf die Blutzuckereinstellung, die Lipidwerte im Serum und den Blutdruck auswirken würde.
Die Patienten hielten sich 3 Monate lang an eine Ernährung mit niedrigem GI und aßen dabei mindestens 200 g gekochte Hülsenfrüchte am Tag. Eine Kontrollgruppe wurde angewiesen, in diesem Zeitraum besonders viele unlösliche Ballaststoffe in Form von Vollkornweizenprodukten zu konsumieren.
„Die Compliance war ausgezeichnet“, betont Jenkins gegenüber Medscape Deutschland. „Es fiel den Teilnehmern nicht schwer, die zweihundert Gramm Hülsenfrüchte in ihren Speiseplan zu integrieren“
Täglich Hülsenfrüchte – hierzulande kein einfaches Unterfangen
„In Deutschland macht eine solche Ernährungsmodifikation mehr Schwierigkeiten“, weiß Pfeiffer aus eigenen Studien. „Die vielen Bohnen-, Linsen- und Erbsensorten, die es gibt, sind kein traditioneller Bestandteil der deutschen Esskultur. Da haben wir auf jeden Fall Nachholbedarf.“
In der Studie von Jenkins und Kollegen konnten in beiden Gruppen mehr als 90% der Teilnehmer ausgewertet werden. Primärer Endpunkt der Untersuchung war die Veränderung des HbA1c-Wertes. Der Risikoscore für Koronare Herzkrankheit war der sekundäre Endpunkt.
Die Ernährung mit niedrigem GI plus Hülsenfrüchte reduzierte die HbA1c-Werte um 0,5% und mit Ausnahme des unveränderten HDL-Cholesterins verbesserten sich auch die Blutfettwerte signifikant. In der Kontrollgruppe, die verstärkt Vollkorngetreide konsumiert hatte, sanken die HbA1c-Werte um 0,3%, der HDL-Cholesterinspiegel stieg signifikant an.
Sowohl der Blutdruck (-4,5 mmHg systolisch / -3,1 mmHg diastolisch) als auch die Herzfrequenz (- 3,1 Schläge/Minute) nahmen in der Gruppe mit erhöhtem Hülsenfrüchtekonsum stärker ab als in der Kontrollgruppe.
Im Rahmen des Studienzeitraums fanden bei der Mehrzahl der Patienten keine signifikanten Veränderungen der Medikation statt, die die Ergebnisse hätten beeinflussen können.
Die Ernährung mit niedrigem GI plus Hülsenfrüchte senkte das Risiko der Teilnehmer, eine Koronare Herzkrankheit zu entwickeln, um 0,8%. Die Autoren gehen davon aus, dass diese Risikoreduktion vor allem auf die signifikante Senkung des systolischen Blutdrucks zurückzuführen ist.
Leichter verdauliche Hülsenfrüchte sollen Beliebtheit steigern
„Bohnen, Erbsen und Linsen sind für Diabetiker ein Lebensmittel, das wesentliche Vorteile birgt“, bestätigt Pfeiffer, „nicht nur wegen des niedrigen GI, sondern auch wegen des hochwertigen Pflanzenproteins. Es hat eine andere Aminosäurenzusammensetzung als tierisches Eiweiß, vor allem fehlen einige der diabetogenen Aminosäuren wie Methionin, Leucin oder Valin.“
Angesichts der zahlreichen Vorteile von Hülsenfrüchten, wollen die DIfE-Forscher um Pfeiffer die auch als Leguminosen bezeichnete Pflanzengruppe der deutschen Bevölkerung schmackhafter machen: In dem Projekt LEGUAN („LEGUminosenANbau“) planen sie unter anderem durch Fermentation einen der Hauptgründe für die mangelnde Begeisterung für Hülsenfrüchte zu beseitigen - die schwer verdaulichen löslichen Ballaststoffe und die häufig daraus resultierenden Blähungen.