Hülsenfrüchte – hierzulande noch unbeliebt, aber segensreich für den Typ-2-Diabetiker

Nadine Eckert | 6. November 2012

Autoren und Interessenskonflikte

Bohnen, Kichererbsen und Linsen sollten bei Typ-2-Diabetikern öfters auf dem Speiseplan stehen. Denn im Rahmen einer Ernährung mit niedrigem glykämischem Index  (GI) geht ein gesteigerter Verzehr von Hülsenfrüchten offenbar mit einer besseren Blutzuckereinstellung und einem geringeren Risiko für Herzerkrankungen einher. Das legen die Ergebnisse einer amerikanischen Studie nahe, die Ende Oktober online in Archives of Internal Medicine erschienen ist.

Der GI gibt die Wirkung an, die ein kohlenhydrathaltiges Lebensmittel auf den Blutzuckerspiegel hat – je höher der GI, desto stärker steigt der Blutzucker nach Verzehr dieses Lebensmittels an. „Welchen GI-Wert ein Lebensmittel hat, hängt von Gehalt und Art der darin enthaltenen Ballaststoffe ab, der Art der Stärke und dem Protein- und Fettgehalt. Denn all diese Faktoren beeinflussen die Absorptionsrate“, erklärt Erstautor Dr. David Jenkins von der University of Toronto.

Bedeutung des GI wissenschaftlich gut belegt

„Die Bedeutung des GI wurde schon in zahlreichen Studien deutlich. Eine der größten Untersuchungen war DIOGENES. In dieser Studie mit 700 Familien erlaubte eine Ernährung mit niedrigem GI nach einer Gewichtsreduktion nicht nur, das neue Gewicht zu halten sondern senkte auch die Konzentration des C-reaktiven Proteins im Blut“, bestätigte Prof. Dr. Andreas Pfeiffer vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) im Gespräch mit Medscape Deutschland. „Im Jahr 2009 bestätigte auch eine Cochrane-Analyse, dass die Blutzuckereinstellung von Diabetikern von einer Ernährung mit niedrigem GI profitiert.“

Hülsenfrüchte gehören zu den Lebensmitteln mit dem niedrigsten GI. In vielen nationalen Diabetes-Leitlinien wird ihr Verzehr explizit empfohlen.

Jenkins und seine Ko-Autoren schlossen in ihre randomisiert-kontrollierte Studie 121 Patienten mit Typ-2-Diabetes ein. Sie wollten herausfinden, wie ein vermehrter Verzehr von Hülsenfrüchten sich auf die Blutzuckereinstellung, die Lipidwerte im Serum und den Blutdruck auswirken würde.

Die Patienten hielten sich 3 Monate lang an eine Ernährung mit niedrigem GI und aßen dabei mindestens 200 g gekochte Hülsenfrüchte am Tag. Eine Kontrollgruppe wurde angewiesen, in diesem Zeitraum besonders viele unlösliche Ballaststoffe in Form von Vollkornweizenprodukten zu konsumieren.

 „Die Compliance war ausgezeichnet“, betont Jenkins gegenüber Medscape Deutschland. „Es fiel den Teilnehmern nicht schwer, die zweihundert Gramm Hülsenfrüchte in ihren Speiseplan zu integrieren“

Täglich Hülsenfrüchte – hierzulande kein einfaches Unterfangen

„In Deutschland macht eine solche Ernährungsmodifikation mehr Schwierigkeiten“, weiß Pfeiffer aus eigenen Studien. „Die vielen Bohnen-, Linsen- und Erbsensorten, die es gibt, sind kein traditioneller Bestandteil der deutschen Esskultur. Da haben wir auf jeden Fall Nachholbedarf.“

In der Studie von Jenkins und Kollegen konnten in beiden Gruppen mehr als 90% der Teilnehmer ausgewertet werden. Primärer Endpunkt der Untersuchung war die Veränderung des HbA1c-Wertes. Der Risikoscore für Koronare Herzkrankheit war der sekundäre Endpunkt.

Die Ernährung mit niedrigem GI plus Hülsenfrüchte reduzierte die HbA1c-Werte um 0,5% und  mit Ausnahme des unveränderten HDL-Cholesterins verbesserten sich auch die Blutfettwerte signifikant. In der Kontrollgruppe, die verstärkt Vollkorngetreide konsumiert hatte, sanken die HbA1c-Werte um 0,3%, der HDL-Cholesterinspiegel stieg signifikant an.

Sowohl der Blutdruck (-4,5 mmHg systolisch / -3,1 mmHg diastolisch) als auch die Herzfrequenz (- 3,1 Schläge/Minute) nahmen in der Gruppe mit erhöhtem Hülsenfrüchtekonsum stärker ab als in der Kontrollgruppe.

Im Rahmen des Studienzeitraums fanden bei der Mehrzahl der Patienten keine signifikanten Veränderungen der Medikation statt, die die Ergebnisse hätten beeinflussen können.

Die Ernährung mit niedrigem GI plus Hülsenfrüchte senkte das Risiko der Teilnehmer, eine Koronare Herzkrankheit zu entwickeln, um 0,8%. Die Autoren gehen davon aus, dass diese Risikoreduktion vor allem auf die signifikante Senkung des systolischen Blutdrucks zurückzuführen ist.

Leichter verdauliche Hülsenfrüchte sollen Beliebtheit steigern

„Bohnen, Erbsen und Linsen sind für Diabetiker ein Lebensmittel, das wesentliche Vorteile birgt“, bestätigt Pfeiffer, „nicht nur wegen des niedrigen GI, sondern auch wegen des hochwertigen Pflanzenproteins. Es hat eine andere Aminosäurenzusammensetzung als tierisches Eiweiß, vor allem fehlen einige der diabetogenen Aminosäuren wie Methionin, Leucin oder Valin.“

Angesichts der zahlreichen Vorteile von Hülsenfrüchten, wollen die DIfE-Forscher um Pfeiffer die auch als Leguminosen bezeichnete Pflanzengruppe der deutschen Bevölkerung schmackhafter machen: In dem Projekt LEGUAN („LEGUminosenANbau“) planen sie unter anderem durch Fermentation einen der Hauptgründe für die mangelnde Begeisterung für Hülsenfrüchte zu beseitigen - die schwer verdaulichen löslichen Ballaststoffe und die häufig daraus resultierenden Blähungen.

Referenzen

Referenzen

  1. Jenkins D, et al.: Arch Intern Med (online) 22. Oktober, 2012. http://dx.doi.org/10.1001/2013.jamainternmed.70

Autoren und Interessenskonflikte

Nadine Eckert
Es liegen keine Interessenkonflikte vor

Prof. Dr. Andreas Pfeiffer
Es liegen keine Erklärungen zu Interessenkonflikten vor.

Prof. David Jenkins Mitglied der Scientific Advisory Boards von Sanitarium Company, Agri-Culture and Agri-Food Canada (AAFC), Canadian Agriculture Policy Institute (CAPI), California Strawberry Commission, Loblaw Supermarket, Herbal Life International, Nutritional Fundamental for Health, Pacific Health Laboratories, Metagenics, Bayer Consumer Care, Orafti, Dean Foods, Kellogg's, Quaker Oats, Procter & Gamble, Coca-Cola, NuVal Griffin Hospital, Abbott, Pulse Canada, Saskatchewan Pulse Growers und Canola Council of Canada.

Honorare für wissenschaftliche Beratungstätigkeit von Sanitarium Company, Orafti, Almond Board of California, American Peanut Council, International Tree Nut Council Nutrition Research and Education Foundation, Peanut Institute, Herbal Life International, Pacific Health Laboratories, Nutritional Fundamental for Health, Barilla, Metagenics, Bayer Consumer Care, Unilever Canada and Netherlands, Solae, Oldways, Kellogg's, Quaker Oats, Procter&Gamble, Coca-Cola, NuVal Griffin Hospital, Abbott, Canola Council of Canada, Dean Foods, California Strawberry Commission, Haine Celestial, Pepsi und Alpro Foundation.

Referent für das Almond Board of California tätig und erhielt Forschungsmittel von Saskatchewan Pulse Growers, Agricultural Bioproducts Innovation Program (ABIP) durch das Pulse Research Network (PURENet), Advanced Food Materials Network (AFMNet), Loblaw, Unilever, Barilla, Almond Board of California, Coca-Cola, Solae, Haine Celestial, Sanitarium Company, Orafti, International Tree Nut Council Nutrition Research and Education Foundation, Peanut Institute, Canola and Flax Councils of Canada, Calorie Control Council, Canadian Institutes of Health Research, Canada Foundation for Innovation, und dem Ontario Research Fund.

Reisekostenunterstützung von Solae, Sanitarium Company, Orafti, AFMNet, Coca-Cola, The Canola and Flax Councils of Canada, Oldways Preservation Trust, Kellogg's, Quaker Oats, Griffin Hospital, Abbott Laboratories, Dean Foods, California Strawberry Commission, American Peanut Council, Herbal Life International, Nutritional Fundamental for Health, Metagenics, Bayer Consumer Care, AAFC, CAPI, Pepsi, Almond Board of California, Unilever, Alpro Foundation, International Tree Nut Council, Barilla, Pulse Canada, and the Saskatchewan Pulse Growers.

Seine Ehefrau ist Direktorin der Glycemic Index Laboratories, Toronto.

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