Komorbiditäten bei Psoriasis: Verbindungen zu Autoimmunerkrankungen

Janis C. Kelly | 5. November 2012

Autoren und Interessenskonflikte

Bei Patienten mit einer Psoriasis-Diagnose besteht eine mehr als 50% höhere Wahrscheinlichkeit als bei Patienten ohne Schuppenflechte, an mindestens einer weiteren Autoimmunerkrankung zu leiden, und mit etwa doppelter Wahrscheinlichkeit haben sie mindestens 2 weitere Autoimmunkrankheiten. Dies berichteten Dr. Jashin J. Wu, Leiter der Dermatologieforschung und Associate Direktor des Residency Programms an der Dermatologieabteilung von Kaiser Permanente Los Angeles Medical Center, Kalifornien, USA, und Ko-Autoren in einem Artikel, der am 4. Juni 2012 online veröffentlicht wurde und in der Printausgabe des Journal of the American Academy of Dermatology (JAAD) von November 2012 erscheint [1]. Medscape Medical News sprach mit. Wu: „Psoriasis-Patienten hatten häufiger Autoimmunerkrankungen, und die engste Verbindung war die zur rheumatoiden Arthritis.“

Autoimmunerkrankungen bei über 25.000 Patienten untersucht

Wu und Ko-Aotiren haben eine retrospektive Kohortenstudie mit 25.341 Patienten von Kaiser Permanente, USA, durchgeführt. Kaiser Permanente ist ein US-Gesundheitsunternehmen und eine sogenannte Health Maintenance Organization, die ihren Mitgliedern auch Krankenversicherungsschutz anbietet. Alle in die Studie aufgenommenen Patienten hatten eine Doppel- oder Mehrfachklassifikation für psoriatische Erkrankungen und waren zwischen Januar 2004 und Februar 2011 in Behandlung gewesen. Ein Vergleich erfolgte anhand eines Matchings mit jeweils 5 Kaiser-Mitgliedern ohne diese Falldefinition, aber mit ähnlichen Merkmalen bezüglich Alter, Geschlecht und Dauer der Zugehörigkeit. Die Analyse schloss die folgenden Erkrankungen ein: Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Typ-1-Diabetes mellitus, Alopecia areata, hämolytische Anämie, Arteriitis cranialis, multiple Sklerose, systemischer Lupus erythematodes, Vitiligo, Morbus Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis, chronische Glomerulonephritis, Lungenfibrose, Sjögren-Syndrom, Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison), idiopathische thrombozytopenische Purpura (Immunthrombozytopenie), chronische Nesselsucht, Zöliakie sowie primäre biliäre Zirrhose.

 
„Patienten mit einer Psoriasis-Diagnose hatten häufiger mindestens eine weitere Autoimmunerkrankung“
 

Für Deutschland konnten diese Zusammenhänge in ähnlicher Weise bestätigt werden: In einer großangelegten Studie mit 1.344.071 Versicherten, darunter 33.981 mit einer Psoriasis-Diagnose, wurden 2010 als häufigste Komorbiditäten arterielle Hypertonie und Hyperlipoproteinämie gefunden, gefolgt von den Autoimmunerkrankungen, und hier standen ebenfalls rheumatoide Arthritis (RA), Morbus Crohn und Colitis ulcerosa an der Spitze [2].

Das Forschungsteam um Wu analysierte: „Patienten mit einer Psoriasis-Diagnose hatten häufiger mindestens eine weitere Autoimmunerkrankung (Odds Ratio [OR] 1,6; 95% Konfidenzintervall [KI] 1,5–1,7) und ebenfalls häufiger mindestens 2 weitere Autoimmunerkrankungen (OR 1,9; 95% KI 1,6–2,4)." Und weiter: „Mit 17 der 21 untersuchten Autoimmunkrankheiten wurde die Psoriasis positiv assoziiert, davon mit 14 statistisch signifikant. Die stärkste Verbindung bestand zur rheumatoiden Arthritis (OR 3,6; 95% KI 3,4–3,9; p < 0,0001)."

Schuppenflechte verdoppelte das Risiko, an Alopecia areata, Zöliakie oder systemischer Sklerose zu erkranken, wie in der Studie außerdem festgestellt wurde. Patienten mit Psoriasisarthritis zeigten ein höheres Risiko für Autoimmunerkrankungen als Patienten, die nur Psorias hatten. Tatsächlich wiesen Psoriasisarthritis-Patienten eine höhere Odds Ratio für die Manifestation aller dieser Autoimmunerkrankungen auf – mit Ausnahme von Alopecia areata, primärer biliärer Zirrhose, chronischer Nesselsucht und Vitiligo –, als dies bei Patienten der Fall war, bei denen nur Psoriasis diagnostiziert worden war.

Auch im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung wurden bei Psoriasisarthritis-Patienten häufiger Autoimmunerkrankungen diagnostiziert; insbesondere waren dies RA (OR 33,0; 95% KI 27,1–40,3), systemischer Lupus erythematodes (OR 3,1; 95% KI 1,9–4,9), Sjögren-Syndrom (OR 5,3; 95% KI 3,3–8,7), systemische Sklerose (OR 2,9; 95% KI 1,4–6,4), Zöliakie (OR 2,9; 95% KI 1,2–7,4), Arteriitis cranialis (OR 2,9; 95% KI 1,5–5,5) oder hämolytische Anämie (OR 2,7; 95% KI 1,4–5,2).

Wu riet: „Kliniker sollten sich dieser erhöhten Risiken bewusst sein, da sich die Psoriasis-Behandlung in unterschiedlicher Weise auf die Autoimmunerkrankung auswirken kann. Wenn ein Patient sowohl an Schuppenflechte als auch an einer Autoimmunkrankheit leidet, könnte eine Therapie zur Behandlung beider Manifestationen gewählt werden.“

Dr. Mark G. Lebwohl, Professor und Leiter des Lehrstuhls für Dermatologie an der Mount Sinai School of Medicine, New York City, hat die Studie für Medscape Medical News überprüft und konstatierte, dass die vorliegende Analyse den bereits bekannten Komorbiditäten beispielsweise die Verbindung zwischen Psoriasis und kardiovaskulären Erkrankungen neue hinzufügt. Seiner Ansicht nach wäre es „sinnvoll zu wissen, ob es eine Verbindung zwischen dem Schweregrad der Psoriasis und dem Risiko für andere Autoimmunerkrankungen gibt. Beim durchschnittlichen Patienten mit einer leichten Psoriasis besteht wohl kaum Bedarf an weiterführenden, eingehenden Tests, es sei denn, dass Abdominalschmerzen oder gastrointenstinale Symptome auf Morbus Crohn hinweisen. Falls es sich jedoch herausstellt, dass der Schweregrad der Psoriasis mit der Manifestation weiterer Autoimmunerkrankungen assoziiert ist, sollten wir als Mediziner in der Lage sein, weitere Tests anzuordnen."

So bezog sich eine europäische Studie aus dem Jahr 2007 beispielsweise auf den Zusammenhang zwischen dem Schweregrad der Psoriasis und weiteren Erkrankungen; hier wurde eine erhöhte Morbidität nur in Assoziation mit schweren Formen der Schuppenflechte festgestellt [3].

Lebwohl fügte hinzu, dass Psoriasisarthritis und RA häufig verwechselt werden, dass es aber in der weiteren Bestimmung der Verbindung zwischen Psoriasis und Autoimmunerkrankungen bedeutsam ist, die beiden Krankheitsbilder voneinander zu differenzieren.

Gemeinsame genetische Ursachen oder Umwelteinflüsse?

Zusätzliche Daten, die eine Verbindung zwischen Psoriasis und Autoimmunerkrankungen herstellen, wurden in 2 die aktuelle Studie begleitenden „Research Letters“ in der gleichen Ausgabe des JAAD veröffentlicht.

Leon N. Hsu, BA, und Dr. April W. Armstrong von University of California an der Davis School of Medicine in Sacramento, schlussfolgerten in ihrem „Research Letter”, dass die Assoziation von Psoriasis und Zöliakie und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen gut beschrieben zu sein scheine, es aber mehr Studien bedürfe, um festzustellen, ob ein unabhängiger Zusammenhang zwischen Psoriasis und multipler Sklerose, systemischem Lupus erythematodes und Autoimmunthyreoiditis bestehe [4].

Andrew C. Walls, BSc, und Dr. Abrar A. Qureshi, MPH, vom Brigham and Women's Hospital und Harvard Medical School, Boston, Massachusetts, berichteten in einem „Research Letter” über eine Analyse der Krankenakten von 76 Patienten mit dem gleichzeitigem Auftreten von Fibrosen und Psoriasis [5]. Die Autoren stellten bei 38,5% der Patienten, die neben der Psoriasis und der Fibrose eine dritte Autoimmunkrankheit hatten, eine Prädisposition für Autoimmunerkrankungen fest. Außerdem berichteten 42,3% dieser Patienten über einen Verwandten ersten Grades mit einer Autoimmunerkrankung.

Mindestens 10 nicht-HLA-verwandte Risikogene und Risikoloci sind laut Wu und seinem Team an RA beteiligt und 6 an Psoriasis. Das Forschungsteam folgerte aus der Studie, dass es eine übergreifende, allen Autoimmunerkrankungen gemeinsame genetische oder umweltbedingte Ursache geben müsse. „Die weitere Erforschung von Personen mit multiplen Autoimmunerkrankungen könnte wichtige Hinweise auf den Ursprung und die Pathogenese der Krankheit liefern."

Dieser Artikel wurde von Andrea Thode aus Medscape.com übersetzt und adaptiert.

Referenzen

Referenzen

  1. Wu JJ, et al.: J Amer Acad Derm (JAAD) 2012; 67(5):924-930 (online 04. Juni 2012)
    http://dx.doi.org/10.1016/j.jaad.2012.04.039
  2. Augustin M, et al.: Acta Derm Venereol 2010; (90)2:147-151 (online 19. August 2009)
    http://dx.doi.org/10.2340/00015555-0770
  3. Gelfand JM, et al.: Arch Dermatol 2007; 143(12): 1493-1499 (online 01. Dezember 2007)
    http://dx.doi.org/10.1001/archderm.143.12.1493
  4. Hsu LN, Armstrong AW: JAAD 2012; 67(5):1076-1079 (online November 2012)
    http://dx.doi.org/10.1016/j.jaad.2012.01.029
  5. Walls AC, Qureshi AA: JAAD 2012; 67(5):1079-1083 (online November 2012)
    http://dx.doi.org/10.1016/j.jaad.2012.04.031

Autoren und Interessenskonflikte

Janis C. Kelly
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

Die Studie wurde vom regionalen Forschungsausschuss von Kaiser Permanente, USA, gefördert. Dr. Wu erhielt Forschungsmittel von Abbott Laboratories, Amgen und Pfizer. Einer der Koautoren erhielt Forschungsmittel von Procter & Gamble, Janssen und Genentech. Die anderen Autoren haben keine relevanten finanziellen Beziehungen offenbart. Dr. Armstrong meldete Forschungs- und Beratungshonorare von Abbott und Centocor. Hsu hat keine relevanten finanziellen Beziehungen offenbart. Dr. Qureshi erhielt eine Zuschussfinanzierung von Amgen/Pfizer sowie Beratungshonorare von Abbott, Centocor, Novartis und den Centers for Disease Control and Prevention. Walls hat keine relevanten finanziellen Beziehungen offenbart.

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