Unheilige Allianz: Prostatakarzinom und Metabolisches Syndrom

Nadine Eckert | 2. November 2012

Autoren und Interessenskonflikte

Der fördernde und aggravierende Einfluss metabolischer Faktoren auf Krebserkrankungen wird seit einigen Jahren für zahlreiche maligne Tumoren immer überzeugender nachgewiesen. Eine jetzt online in der Zeitschrift Cancer erschienene Studie deutet darauf hin, dass dies offenbar auch für das Prostatakarzinom gilt. Ernährungsempfehlungen zur Prävention von Diabetes und Herzkrankheiten könnten aus diesem Grund womöglich die Prostatakrebsmortalität senken.

„Dass zivilisationsbedingte Fettleibigkeit und das Prostatakarzinomrisiko miteinander korreliert sind, wird als weitgehend gesichert angesehen“, sagte Prof. Dr. med. Michael Stöckle, Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie der Universität des Saarlandes gegenüber Medscape Deutschland.  „Neu ist dagegen, dass sich das Prostatakarzinom bei Fettleibigen anscheinend aggressiver verhält als bei schlanken Patienten.“

Nord-Süd-Gefälle beim Prostatakarzinom

Als Hauptrisikofaktor für das Prostatakarzinom gilt das Lebensalter: Je höher das Alter, desto häufiger ist diese Krebserkrankung. „Ein massives Nord-Süd-Gefälle der Prostatakarzinomhäufigkeit deutet zudem auf einen Einfluss von Sonnenlicht und Vitamin D hin“, erklärte Stöckle, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Urologie ist. So seien Skandinavier beispielsweise deutlich häufiger vom Prostatakarzinom betroffen als Männer in den Mittelmeerländern, Deutschland würde etwa in der Mitte liegen: „In Schweden und Norwegen ist das Prostatakarzinom eine der wichtigsten Todesursachen, jeder zwanzigste Mann, also fünf Prozent sterben an dieser Form des Krebses. In Deutschland sind es drei Prozent, in den Mittelmeerländern zwischen eineinhalb und zwei Prozent. Ein Mangel an UV-Licht und ein daraus resultierender niedriger Vitamin D-Spiegel können also durchaus Risikofaktoren sein.“

Bekannt ist aber auch, dass „das Prostatakarzinom überzufällig häufig in den Ländern zuschlägt, in denen eine fleisch- und kalorienreiche, westliche Ernährungsweise verbreitet und ein großer Anteil der Bevölkerung übergewichtig ist“, betonte Stöckle. Sehr viel seltener kommt das Prostatakarzinom in asiatischen Ländern vor, in denen die Vegetarier und Schlanken zumindest zurzeit noch in der Mehrzahl sind. Ein Paradebeispiel sei Japan: „In Japan sterben zehnmal weniger Menschen am Prostatakarzinom als in den Vereinigten Staaten. Man vermutet, dass dafür vor allem die japanische Ernährungsweise mit viel Fisch und Gemüse verantwortlich ist.“

Christel Häggström und Dr. Tanja Stocks von der Umeå Universität in Schweden untersuchten den Zusammenhang zwischen Prostatakarzinom und Stoffwechselstörungen wie Fettleibigkeit, hoher Blutzuckerspiegel, hohe Cholesterin- und Blutfettwerte sowie Hypertonie bei 289.866 Männern aus Norwegen, Schweden und Österreich.

Die Nachbeobachtung des „Metabolic Syndrome and Cancer (Me-Can)“-Projekts lief im Durchschnitt über 12 Jahre. In dieser Zeit wurde bei 6.673 Männern Prostatakrebs diagnostiziert, 961 starben an der Erkrankung.

Metabolisches Syndrom erhöht die Prostatakrebssterblichkeit

Anders als die Ergebnisse früherer Studien hätten erwarten lassen, fanden die Autoren in dieser Kohorte keine Erhöhung des Prostatakrebsrisikos durch Übergewicht, schlechte Blutfettwerte oder Hypertonie. Bei Patienten mit Prostatakarzinom bedeuteten ein hoher BMI, erhöhter Blutdruck und ein hoher Kompositscore der untersuchten metabolischen Werte jedoch ein erhöhtes Risiko, an der Krebserkrankung zu versterben. Die Männer mit den höchsten BMI- und Blutdruckwerten hatten ein um 36 bzw. 62% erhöhtes Risiko, an Prostatakrebs zu sterben.

Jene Männer, bei denen der als Metabolisches Syndrom bezeichnete Komplex aus Fettleibigkeit, Hypertonie, veränderten Blutfettwerten und Insulinresistenz auftrat, erkrankten in dieser Studie also nicht häufiger als andere, die keine dieser Risikofaktoren aufwiesen. Doch wenn sie ein Prostatakarzinom entwickelten, starben sie öfter daran.

Insulin als Wachstumsfaktor für Prostatakarzinomzellen

„Es ist rätselhaft, weshalb Prostatakrebs mit Stoffwechselfaktoren unterschiedlich zusammenhängt, je nachdem ob man sich das Krebs- oder das Sterberisiko ansieht“, sagte die Studienautorin Stocks gegenüber Medscape Deutschland. „Es scheint, als ob die Faktoren, die das Prostatakarzinom verursachen nicht dieselben sind wie diejenigen, die die Progression des Krebses begünstigen. Dabei können wir nicht mit Sicherheit sagen, ob die in unserer Studie untersuchten Faktoren direkt mit dem Prostatakrebs verbunden sind. Das durch Fettleibigkeit und veränderte metabolische Werte erhöhte Risiko, an einem Prostatakarzinom zu sterben, könnte auf die Beziehung zwischen Fettleibigkeit und Insulinresistenz bzw. hohem Insulinspiegel zurückzuführen sein. In-vitro-Studien haben gezeigt, dass Insulin das Wachstum von Prostatakrebszellen anregt.“

Als nächstes wollen die Autoren um Häggström und Stocks dieselben Zusammenhänge noch einmal unter die Lupe nehmen, diesmal jedoch unter Berücksichtigung anderer Todesursachen als Prostatakrebs. „Da das Alter bei Diagnose eines Prostatakarzinoms meist schon recht hoch ist, müssen verschiedene konkurrierende Ereignisse in Betracht gezogen werden. Bei einem Mann, der mit 65 an einem Herzinfarkt stirbt, wäre vielleicht noch Prostatakrebs diagnostiziert worden, hätte er lange genug gelebt“, erklärte Stocks. „Wenn wir konkurrierende Ereignisse mit einrechnen, erhalten wir hoffentlich ein präziseres Bild vom Zusammenhang zwischen metabolischen Faktoren und Prostatakrebs.“

Referenzen

Referenzen

  1. Häggström C, et al.: Cancer (online) 22. Oktober 2012. http://dx.doi.org/10.1002/cncr.27677

Autoren und Interessenskonflikte

Nadine Eckert
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

M. Stöckle
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

T. Stocks
Es liegen keine Angaben zu Interessenkonflikten vor.

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