Multiple Sklerose: Je höher die kumulative Interferondosis, desto geringer die Progression

Martin Wiehl | 23. Oktober 2012

Autoren und Interessenskonflikte

Lyon – Patienten mit Multipler Sklerose (MS) sollten möglichst frühzeitig eine Basistherapie mit immunmodulatorisch wirksamen Substanzen erhalten. Diese Forderung ergibt sich aus zahlreichen Studien. Ob und in welchem Ausmaß ein früher Therapiebeginn nachhaltige Effekte zeigt, die sich auch in einer Minderung der Behinderungsprogression niederschlagen, konnte bislang jedoch noch nicht eindeutig geklärt werden. Für die hochdosierte und hochfrequente Gabe von Interferon beta-1a liegen jetzt 15-Jahresdaten vor, die auch für diesen Gesichtspunkt, der für die Patienten besonders relevant ist, einen klaren Nutzen zeigen.

Die nachhaltige Wirksamkeit der Interferontherapie wurde anhand einer Nachbeobachtung und Auswertung der 15-Jahresdaten der PRISMS-Studie (Prevention of Relapses and disability by Interferon beta-1a Subcutaneously in Multiple Sclerosis) aufgezeigt. Wie Prof. Dr. Ludwig Kappos, Chefarzt der Neurologischen Klinik und Poliklinik am Universitätsspital Basel (Schweiz) auf dem 28. Kongress des European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS) in Lyon darlegte, konnten 15 Jahre nach Beginn der Studie bei mehr als der Hälfte der Probanden Daten über den Langzeitverlauf der Behandlung gesammelt und ausgewertet werden. Einen Bias gegenüber den nicht berücksichtigten Probanden schloss er aufgrund der übereinstimmenden Patientencharakteristika beider Gruppen aus.

Kappos erinnerte daran, dass in der dreiarmigen PRISMS-Studie ursprünglich Interferon beta-1a dreimal wöchentlich subkutan in zwei verschiedenen Dosierungen (niedrig mit 22 µg und hoch mit 44 µg) verabreicht und gegenüber Placebo getestet wurde. Nach 2 Jahren wurden auch die Patienten unter Placebo auf Verum umgestellt. In der nun vorliegenden Auswertung untersuchte Kappos die Langzeiteffekte der Interferontherapie hinsichtlich zweier Aspekte - einerseits die kumulative Expositionszeit und andererseits die kumulative Expositionsdosis. Die mittlere Expositionszeit reichte von 8,8 Jahren (ursprünglich Placebo, dann auf Interferon umgestellt) bis 10,6 Jahren. Für die mittlere kumulative Gesamtdosis bildete Kappos zwei Gruppen. Die eine bezeichnete er als Minimum-Gruppe mit 12,3 mg kumulativer Gesamtdosis an Interferon beta-1a, die andere als Maximum-Gruppe mit 94,9 mg.

Höhere kumulative Interferon-Dosis verringert Progression der Behinderung

Mit 0,37 war die jährliche Schubrate in der Maximum-Gruppe geringer als in  der  Minimum-Gruppe mit 0,50. Dies ging mit einer erheblichen Minderung der Behinderungsprogression einher. So stieg als Messgröße für das Ausmaß der Behinderung der EDSS (Expanded Disability Status Scale) in der Maximum-Gruppe nach 15 Jahren nur um 1,2, in der Minimum-Gruppe aber um 2,5. Der Anteil der Patienten, der einen EDSS = 4 erreichte, konnte somit durch die hochfrequente und hochdosierte Therapie von 60,7 % auf 31,8 % gesenkt werden. Für den EDSS = 6 fiel die Reduktion von 52,1 % auf 13,9 % noch deutlicher aus.

Diese Ergebnisse spiegelten sich auch in einer von 52,1 auf 20,8 % reduzierten Konversionsrate von einer schubförmig remittierenden MS (RRMS = relapsing remitting MS) zu einer sekundär progressiven MS (SPMS) wider. In dieselbe Richtung wies auch die Analyse der Behandlungsdauer mit Interferon beta-1a. So verringerte sich für die Patienten mit jedem Fünfjahres-Intervall an Interferontherapie das Risiko, einen ersten Schub zu erleiden, um 13 %. Ferner ging das Risiko einer nach 3 Monaten bestätigten EDSS-Progression um 14 % zurück. Schließlich ließ sich das Risiko einer SPMS um 28 % mindern. Gemeint sind relative Risiken.

Kappos räumte zwar ein, dass das Studiendesign nicht geeignet sei, ursächliche Zusammenhänge aufzudecken. Dennoch wertete er die Ergebnisse als aussagekräftig, zumal sie im Einklang mit anderen Studienergebnissen stehen, die den Vorteil einer hochdosierten, frühzeitigen und langandauernden Therapie mit Interferon beta-1a bereits unter Beweis gestellt hatten.

Referenzen

Referenzen

    28. Kongress des European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS). 10. – 13. Oktober 2012, Lyon. Kappos L et al.: From natural to treated history (Parallel Session 8)
    www.congrex.ch/ectrims.2012

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Martin Wiehl
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.

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