Trampolinspringen ist unter Kindern und Jugendlichen sehr beliebt. Gerade deshalb rät die American Academy of Pediatrics (AAP) Eltern dringend, ihrem Nachwuchs keine Trampoline für den Hausgebrauch zu kaufen. Zu groß, so die AAP in ihrer Grundsatzerklärung [1], sei die Verletzungsgefahr. Mit „Trampoline Safety in Childhood and Adolescence“ legen die beiden Hauptautoren Dr. Susannah Briskin vom Rainbow Babies´ & Children´s Hospital in Cleveland, Ohio, und Sportmedizinerin Dr. Michelle LaBotz von der InterMed Sports Medicine Clinic in Portland, Maine, jetzt ein Update zu früheren Erklärungen der AAP vor, das die aktuellsten Daten zu Prävalenz und zu Mustern und Mechanismen von Trampolin-bedingten Verletzungen berücksichtigt.
Seit 1977 haben sich diverse medizinische Fachgesellschaften in den USA und Kanada immer wieder mit der Verletzungsgefahr von Trampolinen beschäftigt. „In all diesen Statements“, schreiben Briskin und LaBotz, „wurde davon abgeraten, Trampoline in der Freizeit und auf Spielplätzen einzusetzen. Die immer stärkere Zunahme von Trampolinen im Wettkampfsport, das Aufkommen kommerzieller Indoor-Trampolinparks, die geringe Effektivität der Sicherheitsmaßnahmen und die Muster katastrophaler Verletzungen mit Freizeit-Trampolinen haben uns jetzt zu dieser Grundsatzerklärung angeregt.“
In Deutschland ist man anderer Auffassung
In Deutschland hat man eine etwas andere Perspektive. „Trampoline sah man vor 10 Jahren nur im Sportbereich und geschlossenen Freizeitparks. Heute sind sie preisgünstig in Supermärkten erhältlich, stehen mehr und mehr in privaten Gärten und sind in die Schlagzeilen geraten, z. B. mit dem Titel „Trampolin bricht Kinderknochen“, erklärt Dr. med. Jörg Schriever, Unfallbeauftragter des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), gegenüber Medscape.
Abraten vom Trampolineinsatz will der BVKJ aber keinesfalls, denn: „Wieviel Kraft, Kondition und Koordination das Trampolinspringen erfordert und diese damit trainiert, sollte jeder einmal selbst ausprobieren. Trampolinspringen macht Kindern viel Spaß, animiert spielerisch zu einem intensiven Bewegungstraining und ist deshalb grundsätzlich zu begrüßen“, erklärt Schriever.
AAP zweifelt an Sicherheitsausrüstungen
Sicherheitsbestimmungen für Trampoline gab es in den USA zunächst auf freiwilliger Basis. Mit der Grundsatzerklärung 1999 konnte die AAP eine Einführung von Sicherheitsstandards erreichen. Dazu gehörten das Auspolstern von Rahmen und Federn, eine verbesserte Qualität der Polster sowie das Verbot von Leitern in der Verpackung, um kleine Kinder daran zu hindern, aufs Trampolin zu klettern. Außerdem wurden auf die Verpackung Warnhinweise gedruckt, die Saltos, die Benutzung des Trampolins durch mehrere Personen und die Benutzung für Kinder unter 6 Jahren untersagten. Netze werden bereits seit 1997 zur Unfallverhütung eingesetzt.
Laut Briskin und LaBotz ereignen sich die meisten Trampolin-Unfälle (75%), wenn sich mehrere Kinder und Jugendliche gleichzeitig auf der Matte befinden. Unfälle an der Halswirbelsäule passieren oft beim Herunterfallen vom Trampolin oder bei Salto-Versuchen. Die Kleinsten und damit Leichtesten verletzten sich 14-mal häufiger als ihre schwereren Spielgefährten, das gilt vor allem für Kinder, die 5 Jahre oder jünger sind. Das Risiko für Verletzungen stieg bei mehreren Kindern gleichzeitig auf dem Trampolin mit deren Gewichtsunterschied in Kombination mit noch nicht so gut entwickelten motorischen Fähigkeiten. 48 % der Verletzungen im Alter von 5 Jahren und jünger sind Frakturen (häufig Tibiafrakturen), Zerrungen sowie Verrenkungen. 27 - 39 % aller Verletzungen beim Trampolinspringen entstehen durch einen Sturz vom Trampolin, der katastrophal enden kann.
Viele Verletzungen sind unter Aufsicht von Erwachsenen passiert; die Autoren gehen von einem Drittel bis zur Hälfte der Verletzungen aus, die in Anwesenheit der Eltern passieren: „Viele Eltern und betreuende Erwachsene scheinen die Schlüsselkomponenten der Trampolinsicherheit nicht zu kennen, wie etwa das Trampolin auf ein Kind zu begrenzen.“ Die Autoren monieren, dass es nur wenige Studien zur Effektivität von Auffangnetzen und anderer Sicherheitsmaßnahmen gibt. Jedoch scheine viel darauf hinzudeuten dass Auffangnetze das Verletzungsrisiko nicht signifikant reduziert haben. Sie gehen davon aus, dass es keine umgekehrt proportionale Korrelation zwischen dem Vorliegen einer Sicherheitsausrüstung und den Verletzungsquoten gibt.
Zahl der Unfälle und Trampolin-Verkäufe in den USA rückläufig
In den USA stieg die Zahl der Trampolin-Unfälle in den 90er Jahren an, allein zwischen 1991 und 1996 von 39.000 auf 83.000 im Jahr. Ihren Höhepunkt erreichte die Zahl verletzter Kinder und Jugendlicher (111.851) und Trampolin-Verkäufe im Jahr 2004, seither sinken die Zahlen wieder. Laut der National Electronic Injury Surveillance (NEISS) lag die Verletzungszahl 2009 bei 97.908.
Die Trampolin-Verletzungsraten für 2008 lagen bei 70 pro 100.000 bei den unter Ein- bis Vierjährigen und steigen auf 160 von 100.000 bei 4 bis 14 Jahre alten Kindern. Zwar lägen die Verletzungsraten beim Radfahren und Spielen auf Spielplätzen höher in diesen Altersgruppen, doch an diesen beiden Aktivitäten beteiligen sich auch deutlich mehr Kinder.
LaBotz und Briskin kommen zu folgenden Schlussfolgerungen:
- Pädiater sollten Eltern und Kindern von der Benutzung von Trampolinen abraten
- Die gegenwärtigen Daten legen nahe, dass Netze und andere Sicherheitsvorkehrungen die Verletzungsraten nicht senken
- Misslungene Saltosprünge verursachen häufig Verletzungen an der Halswirbelsäule, die zu verheerenden Folgen und bleibenden Schäden führen können
- US-amerikanische Trampolin-Besitzer sollten sicherstellen, dass ihre Krankenversicherung Trampolin-verursachte Verletzungen trägt
- Regeln und Vorschriften für Trampolin-Parks stehen nicht im Einklang mit den AAP-Richtlinien
- Trampoline, die für spezielles Sporttraining eingesetzt werden, sollten immer beaufsichtigt werden und über Sicherheitsvorkehrungen wie Auffangnetze verfügen
In Deutschland 40.000 Unfälle pro Jahr
In Deutschland ereignen sich pro Jahr etwa 40.000 Unfälle am Trampolin. Jungen und Mädchen sind etwa gleich häufig betroffen bei einem Durchschnittsalter von 8,15 Jahren (Mädchen 7,8 Jahre). 68 % der Unfälle passieren, wenn mehrere Kinder gleichzeitig springen. Ursächlich kommt es bei 42 % zu einer missglückten Landung, bei 11 % zur Kollision, bei 9 % zu einem unkontrollierten Federeffekt und bei 7 % der Kinder missglückt der Salto.
„Von Verletzungen sind bei Unfällen zu 50 % die unteren Extremitäten betroffen, zu 28 % Arme, davon besonders Ellenbogen und Unterarm, zu 13 % Kopf- und Gesichtsverletzungen, zu 10 % der Rumpf und 6 % die Halswirbelsäule, wobei das Risiko für eine Querschnittslähmung nicht zu unterschätzen ist“, erklärt Schriever.
Unangenehm sind Konterschwünge bei asynchronem Springen, vor allem, wenn das Gewicht stark differiert: Springt ein Erwachsener mit 80 Kilogramm Körpergewicht mit einem Kind mit 25 Kilogramm Körpergewicht, kommt es zu einem Energietransfer, der für das Kind einem Fall aus 2,8 Meter Höhe auf einen glatten Boden entspricht:„Deshalb fliegen Kleinkinder so oft unkontrolliert durch die Gegend, wenn sie mit älteren Geschwistern gemeinsam springen.“
Gefahrenbewusstes Verhalten lässt sich lernen
Trampolinspringen sei nicht ungefährlich, aber die Verletzungsrate lasse sich durch technische Sicherheit und richtiges, gefahrenbewusstes Verhalten deutlich verringern. Präventiv schützt das Netz mit gepolsterten Stangen vor Stürzen gegen oder vom Gerät, das gerade und fachgerecht aufgestellt ist. Kleinkinder nach dem 2. Lebensjahr in jedem Fall und Grundschulkinder möglichst immer unter Aufsicht und alleine auf dem Trampolin sein. Auch bei akrobatischen Übungen gelte: Immer nur allein auf das Trampolin. Natürlich wollten immer alle gleichzeitig aufs Trampolin, so Schrievers Erfahrung, doch hier seien Eltern und Erzieher in der Pflicht.
Technisch beginnt man mit geraden Sprüngen in der Mitte, die bei Bedarf immer weich aus den Knien abgebremst werden können, rät der Kinderarzt. Bei der beliebten Landung im Langsitz gehören die Hände nach vorn und ohne vorbereitendes Training, also korrekte Sprünge ins Wasser, sollte man auf dem Trampolin auf keinen Fall Saltos ausprobieren.