
Für die Inkretintherapie von Typ-2-Diabetikern wurde das noch nicht zugelassene Semaglutid in einer Phase-2-Studie geprüft. In der höchsten Dosierung der Substanz (1,6 mg) wurde die bisher stärkste Absenkung des HbA1c-Wertes mit einem Inkretin zusätzlich zum Standard von im Schnitt 1,7 % erreicht. Das Körpergewicht der Patienten wurde während der 12-wöchigen Therapie durchschnittlich um 4,8 Kilogramm verringert - ebenfalls ein mit Inkretinen bisher noch nicht erreichter Wert.
Diese Resultate hat Professor Michael Nauck vom Diabeteszentrum Bad Lauterberg im Harz beim Europäischen Diabetes-Kongress auf einer Sitzung über inkretinbasierte Therapien jetzt in Berlin vorgestellt. Das Molekül Semaglutid unterscheidet sich von der bereits verfügbaren Injektion Liraglutid (Victoza®, Novo Nordisk Pharma AG) durch die Substitution zweier Aminosäuren an den Positionen C-8 und C-34, sowie einer Fettsäure an Position C-18. Pharmakodynamischer Effekt: Die Halbwertzeit beträgt bei der neuen Substanz 160 Stunden (Liraglutid 13 Stunden), was eine einmal wöchentliche Anwendung ermöglicht.
An der 12-wöchigen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten klinischen Untersuchung nahmen 411 Typ-2-Diabetiker teil. Sie erhielten 5 verschiedene Dosierungen des Semaglutid (0,1 - 1,6 mg) einmal wöchentlich subkutan injiziert, zum Teil unterschiedlich auftitriert. Primärer Endpunkt war die Reduktion des HbA1c-Wertes, sekundärer Endpunkt die Gewichtsreduktion. Ziel der Bemühungen: die richtige Dosierung für die geplante Phase-3-Studie zu finden, um die ideale Balance zwischen Wirksamkeit und Nebenwirkungen zu finden. Die Patienten nahmen zu Beginn der Studie in einem Verhältnis von 1:4 bereits Metformin, das Alter betrug im Schnitt 55 Jahre und der Diabetes mellitus bestand seit durchschnittlich 2,6 Jahren. Der HbA1c-Wert lag bei 8,1, das durchschnittliche Körpergewicht bei 87,5, der BMI bei 30,9.
Hauptergebnisse im Einzelnen
Der HbA1c wurde reduziert: unter 0,2 mg (minus 0,9 %), 0,4 mg (-1,1 %), 0,8 mg (-1,4 %) sowie 1,6 mg (-1,7 %). Damit war Semaglutid auch der Hochdosis von Liraglutid (1,8mg, - 1,4%) überlegen. Das Körpergewicht verringerte sich dosisabhängig und kontinuierlich. Nach 12 Wochen war unter der Dosierung von 0,8 mg Semaglutid eine Reduktion von 3,6 Kilogramm und unter 1,6 mg von 4,8 Kilogramm erreicht - im Vergleich zu 2,6 Kilogramm, die mit der höchsten Dosierung von Liraglutid erreicht wurde.
Wegen der gastrointestinalen Nebenwirkungen - vor allem Übelkeit - gab es unter der Hochdosierung von Liraglutid 18 Prozent Abbrecher und unter der Hochdosierung von Semaglutid 31 Prozent. Eine Analyse der Formen der Übelkeit ergab, dass es sich in der überwiegenden Mehrheit um leichte Formen handelte. Der Anteil der als schwer eingestuften Formen lag unter 6 Prozent (bei 0,8 und 1,2 mg Semaglutid). Da diese Ereignisse alle mit dem Therapieanfang assoziiert waren, sei hier auf eine Auftitrierung der Dosis zu achten, erläuterte Nauck.
Weiterhin wurde beboachtet, dass der systolische Blutdruck sich leicht (um 6 mmHg) verringerte. Die Herzfrequenz wurde in allen Gruppen leicht errhöht (um 4,8 Schläge pro Minute). Es kam nicht zu Hypoglykämien.
Die richtige Dosierung muss gefunden werden
Wie Professor Michael Nauck im Gespräch mit Medscape erläuterte, ist der Hauptpunkt, der vor der Zulassung der Substanz noch geklärt werden muss, die Verträglichkeit. "Wenn die richtige Dosis gefunden wird, um eine breite Verträglichkeit sicherzustellen, handelt es sich beim Semaglutid um eine bessere Substanz im Vergleich zu den bisher verfügbaren." Das werde aber noch von guten Phase-3-Daten abhängen, die es noch nicht gebe. Bisher genutzt wird zur Vermeidung von Nebenwirkungen die Ein-Stufen-Titration, denkbar sei aber auch eine in zwei Stufen, meinte Nauck. Es sei auch denkbar, dass eine Ein-Milligramm-Dosierung mit Titration das Optimum darstelle. Bisher gibt es auch keine Vorhersagbarkeit, welcher Patient die Medikation verträgt und wer nicht. "Das wäre schön", sagte Nauck und blickte in die Geschichte zurück. "Der erste Mensch, der eine Übelkeit aufgrund der Anwendung von GLP-1 hatte, war Professor Robert Ritzel vom Klinikum Schwabing in München. Wir beide haben uns an einem Sonntagmorgen einmal ein Milligramm GLP-1 gespritzt. Mir ging es danach wunderbar und bei ihm war das Gegenteil der Fall." Nauck spekulierte, dass bei diesem heroischen Selbstversuch vielleicht das Verteilungsvolumen der beiden Probanden sehr unterschiedlich war und der Fülligere dabei besser abgeschnitten hat. "Aber diese Beobachtung erklärt nicht alles."