Reanimationsversuche nach Herzstillstand – Überlebensrate besser bei längeren Versuchen

Michael Simm | 8. September 2012

Autoren und Interessenskonflikte

08.09.2012 (Offenburg) – Eine aktuelle Datenauswertung von 435 US-amerikanischen Kliniken zeigt, dass Ärzte die Wiederbelebungsversuche nach einem Herzstillstand mitunter zu früh abbrechen. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass eine Verlängerung der … Bemühungen um 10 – 15 Minuten die Resultate verbessern könnte“, erklärte Studienleiter Dr. med. Zachary D. Goldberger von der Division of Cardiovascular Medicine der University of Michigan in Ann Arbor. “Die gute Nachricht ist, dass ein solches Vorgehen den neurologischen Status … wohl kaum beeinträchtigen würde“, fügte Goldberger in einer Stellungsnahme für die Zeitschrift The Lancet hinzu, in deren Online-Ausgabe die aktuelle Studie publiziert wurde.
Die Häufigkeit eines Herzstillstandes in den Kliniken industrialisierter Länder wird in dem Artikel mit 1 bis 5 Promille aller Patienten angegeben. Weniger als 20 % dieser Patienten überleben demnach bis zur Entlassung. Um herauszufinden, welchen Einfluss dabei die Länge der Wiederbelebungsversuche spielt, haben Goldberger und seine Kollegen das weltweit größte Register zum Herzstillstand in Kliniken ausgewertet, das Get with the Guidelines (GWTG) – Resuscitation Registry der American Heart Association.

Kliniken im Vergleich

Erfasst wurden für die Studie 64.339 Patienten aus 435 US-Kliniken, die man in den Jahren von 2000 bis 2008 nach einem Herzstillstand versucht hatte, wiederzubeleben. Die Klinken wurden dabei anhand der durchschnittlichen (medianen) Dauer der Maßnahmen bei jenen Patienten, die nicht überlebten, in Quartile eingeteilt. So entstanden vier Gruppen mit Mittelwerten von 16, 19, 22 und 25 Minuten.

In den Kliniken im längsten Quartil hatten die Mitarbeiter somit durchschnittlich 50 % Prozent mehr Zeit für die Wiederbelebungsmaßnahmen aufgewandt als jene im kürzesten Quartil. Diese zusätzlichen Anstrengungen haben sich offenbar gelohnt, denn die längere Wiederbelebung war signifikant häufiger erfolgreich. Beim Vergleich von 25 mit 16 Minuten Reanimation errechneten die Forscher ein Chancenverhältnis (Odds Ratio) von 1,12 zugunsten der ersten Gruppe. Eine erfolgreiche Wiederbelebung wurde dabei definiert als die Wiederherstellung des Pulses für mindestens 20 Minuten.

Auch die Wahrscheinlichkeit, bis zur Entlassung aus der Klinik zu überleben, war nach durchschnittlich 25 Minuten Reanimationsbemühungen signifikant größer als nach durchschnittlich 16 Minuten (Odds Ratio ebenfalls 1,12).

Unter allen Patienten war es bei 48,5 % gelungen, den Kreislauf für mindestens 20 Minuten wieder herzustellen. Binnen einer halben Stunde gelang dies für 42,5 %. Bezogen auf die gesamte Studienpopulation hatten die Wiederbelebungsmaßnahmen durchschnittlich 17 Minuten gedauert – im Mittel waren es 12 Minuten gewesen für jene Patienten, bei denen die Ärzte erfolgreich waren, und 20 Minuten bei den Verstorbenen.

Neurologische Beeinträchtigungen kaum erhöht

Nicht bestätigt hat sich in dieser Untersuchung die Befürchtung, dass Patienten, bei denen die Wiederbelebung erst nach einem längeren Zeitraum gelingt, wesentlich häufiger unter neurologischen Beeinträchtigungen zu leiden hätten. Daten dazu lagen für 88 % der aus dem Krankenhaus entlassenen Patienten vor. 80,6 % von ihnen hatten keine oder nur geringfügige Behinderungen. Solch einen günstigen neurologischen Status hatten 81,2 % der entlassenen Patienten, die weniger als 15 Minuten wiederbelebt worden waren, gegenüber 80 % mit einer Reanimationsdauer zwischen 15 und 30 Minuten sowie 78,4 % bei mehr als 30-minütiger Reanimation.

Angesichts der Daten aus den 435 Kliniken stellen Goldberger und Kollegen fest, dass die klinische Praxis in dem Land stark variiert, und dass Standards, die eine Mindestdauer für die Reanimation festlegen, die Überlebensraten verbessern könnten. Allerdings könnten sie anhand ihrer Daten keinen Grenzwert nennen und man zögere deshalb, darüber zu spekulieren.

„Es handelt sich um Beobachtungsdaten, deshalb können wir sie unglücklicherweise nicht nutzen, um die optimale Dauer von Wiederbelebungsversuchen zu definieren“, erläuterte der Erstautor der Studie, Dr. med. Brahmajee Nallamothu vom Ann Arbor Veterans Administration Medical Center und der University of Michigan. „Jedoch sind unsere Ergebnisse hinlänglich provokant, um nahezulegen, dass eine Minimumdauer für Wiederbelebungsversuche ein Ansatz sein könnte, um die Ergebnisse in dieser Hoch-Risiko-Population zu verbessern“, so Nallamothu.

Referenzen

Referenzen

  1. Goldberger ZD et al, Lancet (online). 5. September 2012; DOI:10.1016/S0140-6736(12): 60862-9

Autoren und Interessenskonflikte

Michael Simm
Es liegen keine Interessenskonflikte vor

Harlan M. Krumholz
Hat Forschungsgelder von Medtronic erhalten und ist Vorsitzender des Cardiac Scientific Advisory Board für UnitedHealth. Bei den anderen Autoren bestehen keine Interessenkonflikte.

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