BRCA1/2-Mutationen: Radiodiagnostik vor dem 30. Lebensjahr kann das Mammakarzinomrisiko erhöhen

Ute Eppinger | 11. September 2012

Autoren und Interessenskonflikte

Frauen mit Mutationen der Tumorsuppressorgene BRCA1 oder BRCA2 entwickeln ein erhöhtes Brustkrebsrisiko, wenn vor ihrem 30. Lebensjahr der Brustkorb geröntgt wird. Verglichen mit keiner Strahlenexposition steigt das Risiko, je häufiger radiologische Diagnoseverfahren vor dem 30. Lebensjahr eingesetzt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine retrospektive Studie von Dr. Anouk Pijpe und Kollegen, Netherlands Cancer Institute, Amsterdam, die am 6. September 2012 im British Medical Journal publiziert wurde [1].

Frühere Studien aus dem Jahr 2006 [2,3] hatten bereits Vermutungen genährt, dass Frauen mit mutierten BRCA1- und BRCA2-Genen eine erhöhte Strahlungssensitivität aufweisen könnten, denn BRCA 1 und 2 sind an der Reparatur durch Strahlung verursachte DNA-Schäden beteiligt. Von daher macht der potenzielle Nutzen von Mammographien bei jungen Mutationsträgerinnern < 30 Jahren die Strahlungsrisiken nicht unbedingt wett. Auf die Studienlage wurde in manchen Staaten reagiert und diesen Risikogruppen empfohlen, auf regelmäßige Mammographien zu verzichten. Doch die Daten waren bislang inkonsistent.

Für die vorliegende Gene-Rad-Risk Kohortenstudie waren zwischen 2006 und 2009 insgesamt 1.993 Frauen aus Holland (n=589), Frankreich (n=716) und England (n=688) eingeschlossen, die Mutationen von BRCA1 und 2 aufwiesen. Alle Probandinnen waren 18 Jahre oder älter. Die Wissenschaftler fragten detailliert nach ionisierender Strahlenexposition auf Thorax und/oder Schultern durch Röntgen- oder Computertomographie, Mammographie, Fluoroskopie und andere Verfahren wie Knochenscan und nuklearmedizinische Diagnoseverfahren; nach dem Alter zum Zeitpunkt der ersten Exposition, der Zahl der Untersuchungen vor dem 20. Lebensjahr, in den Jahren 20 bis 29, 30 bis 39 und dem Alter während der letzten Untersuchung.

Bei 43% (n=848) der Frauen wurde ein Mammakarzinom diagnostiziert.

Die häufigsten diagnostischen Verfahren waren Röntgen und Mammographie. An Röntgenuntersuchungen hatten 48 % (n=919) der Frauen teilgenommen, an Mammographien 33 % (n=637). Der Altersdurchschnitt bei der ersten Mammographie lag bei 29 Jahren.

Es zeigte sich, dass die Teilnahme an einer Röntgenuntersuchung oder einem Brustscreening im Alter zwischen 20 und 29 Jahren das Tumorrisiko um 43 % erhöhte. Waren die Frauen zum Zeitpunkt einer solchen Untersuchung noch jünger, nämlich unter 20, stieg das Risiko um 62 %. Hingegen zeigte sich kein erhöhtes Risiko, wenn sich die Frauen zwischen dem 30. und 39. Lebensjahr hatten untersuchen lassen. Auf 100 Trägerinnen der BRCA1/2-Mutation kamen 9 Frauen, die bis zum Alter von 40 Brustkrebs entwickelt hatten. Diese Zahl stieg von 9 auf 14, wenn alle Mutationsträgerinnen < 30 Jahre an einem Mammographie-Screening teilgenommen hatten.

Ergebnisse mit Bedacht interpretieren

Die Autoren gelangen zu dem Schluss, dass sich bereits Niedrigdosisverfahren vor dem 30. Lebensjahr bei BRCA1/2-Mutationsträgerinnen mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko assoziieren lassen. Dennoch sollten die Ergebnisse mit Bedacht interpretiert werden, da nur wenige der Teilnehmerinnen mit Brustkrebs vor ihrem 30. Lebensjahr bei einer Mammographie waren. Wie immer seien größere Studien notwendig um abzuklären, ob ein solcher Unterschied wirklich existiert.

Ärzte sollten mit dem Einsatz von Röntgenstrahlung bei jungen Mutationsträgerinnen zurückhaltend sein und auf Alternativen zurückgreifen, empfehlen die Autoren. In einigen Ländern wie den Niederlanden, England und Frankreich sei in den Leitlinien verankert, dass die Betroffenen nicht mammographiert werden dürfen und stattdessen Verfahren wie die Magnetresonanztomographie zum Einsatz kommen sollten.

„Eine interessante Arbeit zur Krebsfrüherkennung bei Mutationsträgerinnen“, wertet Prof. Dr. med. Rita Schmutzler, Direktorin des Zentrums für Familiären Brust- und Eierstockkrebs, Universitätsklinikum Köln, die Studienergebnisse gegenüber Medscape Deutschland. Der Zusammenhang werde seit langem vermutet, folglich sollten Mammographien bei Risikopatientinnen mit frühestens 30 bis 35 Jahren erfolgen. „Je jünger eine Frau ist, umso mehr ist ihr Brustdrüsengewebe noch in der Entwicklung und anfälliger für Strahlung“, so Schmutzler. „Bei uns wird deshalb seit dem Jahr 2000 für das Brustscreening die Kernspintomografie eingesetzt.“

Schmutzler und Kollegen haben derzeit mit einem Mammakarzinom-Screening bei Frauen begonnen, die im Kindesalter an Morbus Hodgkin erkrankten. Sie sagt: „Aufgrund der starken Brustwandbestrahlung der früheren Behandlungskonzepte weisen diese Patientinnen jetzt ein ebenfalls stark erhöhtes Krebsrisiko auf.“

Referenzen

Referenzen

  1. Pijpe A et al. BMJ 2012;345:e5660
  2. Andrieu N et al.  J Clin Oncol 2006; 24:3361-6
  3. Narod SA et al.  Lancet Oncol 2006; 7:402-6

Autoren und Interessenskonflikte

Ute Eppinger
Es liegen keine Interessenkonflikte vor.
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