Bestimmte Pflanzen schützen vor bestimmten, jedoch nicht vor allen Krebsarten

Pam Harrison | 29. August 2012

Autoren und Interessenskonflikte

Montreal, Quebec, Kanada – Nicht alles Obst und Gemüse schützt vor Krebs – nur bestimmte Pflanzen, meist Gemüse, und diese schützen wiederum nur vor bestimmten Krebsarten, so neueste Forschungsergebnisse, die auf dem Union for International Cancer Control World Cancer Congress 2012 in Montreal, Kanada, vorgestellt wurden.

Eine ungesunde Ernährung – diese spielt bei einigen Krebsarten eine Schlüsselrolle – steht immer in Zusammenhang mit einem Mangel an Obst und Gemüse, bestätigt Richard Beliveau, PhD, von der University of Montreal, der University of Quebec at Montreal und von der McGill University in Quebec. Obst- und Gemüsemangel steht nämlich mit der Bildung eines krebserregenden Milieus in Zusammenhang, fügt er hinzu.

Er erklärt: „Pflanzen erzeugen ihre Inhaltsstoffe nicht, um uns Menschen mit Krebsmedikamenten zu versorgen. Vielmehr produzieren sie zunächst ein Arsenal an toxischen Substanzen, die Hefen, Bakterien und Insekten abtöten sollen. Innerhalb dieser beeindruckenden Chemodiversität gibt es einige Stoffe, deren ausgeprägt krebshemmende Eigenschaften wissenschaftlich belegt werden konnten.”

„Allerdings stehen diese krebshemmenden Eigenschaften nur mit bestimmten und nicht mit jeglichen Obst- sowie Gemüsearten in Zusammenhang“, berichtet Dr. Beliveau.

Möglicherweise ist Curcumin das beste Beispiel für einen Pflanzeninhaltsstoff mit entzündungshemmender Wirkung. „Gelbwurzel ist die ergiebigste Curcumin-Quelle und Curcumin wiederum ist unter den uns bekannten Pflanzeninhaltsstoffen der am stärksten wirksame”, erklärte Dr. Beliveau gegenüber Medscape Medical News.

Beliveau sagte, es wären ebendiese entzündungshemmenden Eigenschaften, welche die Krebsentstehung verhindern könnten. Es gilt als allgemein anerkannt, dass durch Erkrankungen ausgelöste Entzündungsreize das Krebsrisiko erhöhen; zum Beispiel ergibt sich bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ein erhebliches Manifestationsrisiko für Kolorektalkrebs. In ähnlicher Weise kann eine Helicobacter-pylori-Infektion zu chronischer Gastritis und dann in einigen Fällen zu Magenkrebs führen.

Epigallocatechingallat, das als Pflanzeninhaltsstoff in grünem Tee vorkommt, wirkt auf Tumorinvasivität und Metastasen sowie auf die Angiogenese. Resveratrol aus Trauben verfügt über eine stark proapoptotische Wirkung gegen Zellen, die aus verschiedenen Tumorarten isoliert wurden. Diese Wirkung korreliert mit der Hemmung des Tumorwachstums bei Tieren. Brokkoli enthält Sulforaphan, welches Krebszellen direkt abtötet, erläuterte Dr. Beliveau.

Es gibt eindeutige Belege dafür, dass spezifische Pflanzeninhaltsstoffe, welche auf die Stoffwechselprozesse des Krebses einwirken, bei bestimmten Krebsarten zu einer signifikanten Verminderung der Häufigkeit führen. Zum Beispiel haben Wissenschaftler aus prospektiven Studien an Zehntausenden Probanden den Konsum von Kreuzblütler-Gemüse (Blumenkohl, Brokkoli, Kohl) und eine etwa 50-prozentige Verringerung sowohl bei Blasen- als auch bei Prostatakarzinomfällen und eine 30-prozentige Verringerung für Lungenkrebs in Zusammenhang gebracht.

Der Verzehr von Tomaten wird mit einer 25-prozentigen Verminderung der Prostatakarzinomfälle assoziiert; Blattgemüse mit reichlich Nahrungsfolat auf dem Speiseplan vermindert das Manifestationsrisiko eines Pankreaskarzinoms um etwa 75 %.

„Genauso, wie man Vinblastin nicht zur Behandlung jeglichen Karzinoms anwendet, können bestimmte Lebensmittel keineswegs vor sämtlichen Krebserkrankungen schützen“, argumentiert Dr. Beliveau. „Mit Blick auf die Krebsprävention müssen wir uns die Arten von Gemüse ansehen, die verzehrt werden – nicht die Menge. Werden bestimmte Lebensmittel kombiniert, müsste die Schutzquote gegenüber Krebserkrankungen höher liegen”, stellte er fest.

Adipositas: die Kehrseite der Medaille bei Krebs

Die „Kehrseite der Medaille” bei Krebs ist Adipositas. „Jedes Pfund Fett benötigt für seine Versorgung 400 Kilometer Blutgefäße; dies erzeugt eine Menge VEGF sowie andere Wachstumsfaktoren, um das Wachstum von Blutgefäßen zu fördern: ein zugleich ideales Milieu für die Entwicklung von Krebszellen.“

Das, was Wissenschaftler als ungesunde Lebensführung bezeichnen – Fettleibigkeit, schlechte Ernährung und Bewegungsmangel – ist für etwa 35 % der Krebsfälle verantwortlich; dies entspricht etwa dem Risikofaktor Rauchen, fügte er hinzu.

„Krebs ist beim Menschen monoklonal“, erklärt Dr. Beliveau. „Eine einzige Tumorzelle benötigt Jahrzehnte, bis sie sich zu einer Ansammlung von Milliarden an Zellen entwickelt. Die meisten Menschen über 40 sind Tumorträger – aber der Tumor beginnt im Jugendalter...es liegt dabei letztendlich an unserem Lebensstil, ob ein günstiges oder aber ein ungünstiges Milieu für die Entwicklung von Mirkotubuli zu einem klinisch relevanten Krebsleiden erzeugt wird“, bekräftigte er.

Als Beispiel nannte Dr. Beliveau die Inzidenz von Endometriumkarzinomen: Sie ist bei fettleibigen Frauen 4 Mal so hoch wie bei normalgewichtigen.

Die Überlebenswahrscheinlichkeit wird ebenso durch das Körpergewicht beeinflusst; beim Prostatakarzinom beispielsweise ist die Mortalität bei übergewichtigen Männern um 50 % erhöht, bei fettleibigen um 150 %.

Die 5 „goldenen Regeln“ der Prävention chronischer Erkrankungen sind auch auf die Krebsprävention anzuwenden: Nichtrauchen, die Aufrechterhaltung eines normalen BMI (Body Mass Index, ideal ist für die Krebsprävention ein BMI von 21 bis 23 kg/m²), reichlicher Verzehr pflanzlicher Lebensmittel (Früchte, Gemüse, Vollkorngetreide), mindestens 30 Minuten körperliche Betätigung pro Tag und die Vermeidung von industriell zubereiteten Nahrungsmitteln (Junkfood).

Dr. Beliveau fügte hinzu, dass „Überlebende einer Krebserkrankung zur sekundären Krebsprävention dieselben Empfehlungen befolgen sollten. Da diese Empfehlungen jetzt zum ersten Mal ausgesprochen werden, ist es wichtig, auch Patienten darüber zu informieren.“

„Er ist ein Wissenschaftler, der seine Botschaften der allgemeinen Bevölkerung gegenüber vermitteln kann“

„Eine der großen Herausforderungen in der Krebsprävention ist die Beteiligung der Öffentlichkeit“, so erklärt Jon Kerner, PhD vom Canadian Partnership Against Cancer gegenüber Medscape Medical News. „Wir benötigen mehr Forscher, die einerseits ihr Fachgebiet verstehen, andererseits aber auch in der Lage sind, einem Laienpublikum die Bedeutung der Information nahezubringen...das Gute an Dr. Beliveau...er ist ein Wissenschaftler, der seine Botschaft der allgemeinen Bevölkerung gegenüber vermitteln kann.“

Referenzen

Referenzen

    Union for International Cancer Control (UICC) World Cancer Congress 2012, 27. - 30. August, Montreal, Kanada. Präsentiert am 28. August 2012.

Autoren und Interessenskonflikte

Pam Harrison
Keine COI

Übersetzer
Dr. Immo Fiebrig

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