Direkte Renin-Hemmung zusätzlich zu RAS-Blockade bei Typ-2-Diabetes und verminderter Nierenfunktion eher schädlich

Martin Wiehl | 27. August 2012

Autoren und Interessenskonflikte

Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) gilt bereits seit Jahren als wesentlicher Schrittmacher für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ebenso sind verschiedene Ansätze zur Inhibition dieses Schlüsselsystems, das nicht nur zur Regulierung des Blutdrucks, sondern auch in vielfältiger Weise zu den Organmanifestationen der Hypertonie beiträgt, in ihrer Wirksamkeit hinlänglich bekannt. Die Frage, ob ein Mehr an RAAS-Hemmung auch den Nutzen für den Patienten zu steigern vermag, musste jetzt allerdings verneint werden. Eine Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) durch den direkten Renin-Inhibitor Aliskiren zusätzlich zu einer standardmäßigen RAS-Blockade bringt bei Menschen mit Typ-2-Diabetes und eingeschränkter Nierenfunktion nicht nur keinen zusätzlichen Vorteil. Es müssen im Gegenteil kontraproduktive Wirkungen befürchtet werden, betonte Prof. Dr. Hans-Henrik Parving, Kopenhagen (Dänemark) bei der Vorstellung der Ergebnisse der ALTITUDE-Studie (Aliskiren Trial in Type 2 Diabetes Using Cardio-Renal Endpoints) auf dem Kongress der European Society of Cardiology (ESC) in München.

Hohe Ereignisraten trotz wirksamer Eingriffe in das RAAS

Von der kombinierten RAAS-Blockade hatte man sich zunächst eine weitere Minderung kardiovaskulärer und renaler Ereignisse bei Hochrisikopatienten erhofft. Mit dem Einsatz von ACE-Hemmern oder Angiotensin-Rezeptor-Blockern (ARBs) allein verblieben nämlich mehreren Studien zufolge (HOPE, VALIANT, CHARM, IDNT und RENAAL) immer noch Ereignisraten von 20 bis 30 % über einen Zeitraum von 3 bis 5 Jahren. Die Rationale für die zusätzliche Gabe des direkten Renin-Inhibitors Aliskiren, der ganz oben an der Renin-Angiotensin-Kaskade ansetzt, bestand darin, dass der hemmende Eingriff in das RAS stets auch Rückkopplungseffekte mit einer erhöhten Produktion von Renin hervorruft. Und von der zusätzlichen direkten Renin-Hemmung versprach man sich daher einen weitaus gründlicheren Eingriff in das RAS als es bisher möglich war.

In die ALTITUDE-Studie wurden Patienten mit Typ-2-Diabetes und Makroalbuminurie sowie einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) = 30 ml/min oder aber einer GFR zwischen 30 und 60 ml/min sowie einer Mikroalbuminurie oder einer kardiovaskulären Erkrankung in der Vorgeschichte eingeschlossen. Die Ereignis-gesteuerte Studie sollte beendet sein, wenn 1.620 Patienten den primären Endpunkt erreichen, der sich zusammensetzt aus kardiovaskulärem Tod, Reanimation, Myokardinfarkt, Schlaganfall, ungeplanter Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz, Nierenversagen oder Verdoppelung des Ausgangs-Serum-Kreatinins.

Leitliniengemäß erhielten alle Patienten zunächst eine konventionelle Behandlung, die allerdings stets entweder einen ACE-Hemmer oder einen ARB einschließen sollte. Darüber hinaus erhielten sie entweder 300 mg Aliskiren einmal täglich (nach 150 mg Anfangsdosis) oder Placebo.

Vorzeitiger Studienabbruch

Nach durchschnittlich 32 statt der geplanten 48 Monate wurde die Studie im Dezember 2011 vorzeitig beendet, nachdem das Monitoring-Komitee eine steigende Zahl an unerwünschten Arzneimittelwirkungen feststellen musste. Bis dahin waren aber auch schon 92 % der für das geplante Studienende erwarteten Ereignisse eingetreten.

Obwohl unter Aliskiren eine leichte Verbesserung des Blutdrucks (-1,3/0,6 mmHg) sowie eine Minderung der Albuminurie um durchschnittlich 14 % zu verzeichnen war, kam es in dieser Gruppe dennoch tendenziell zu einem Anstieg der Ereignisrate um 8 %, was allerdings nicht statistisch signifikant war. Als besonders auffällig wertete Parving den Zusammenhang der Ereignisse mit hohen Ausgangsspiegeln an Serumkalium. So ergab sich bei Patienten mit anfänglichen Serumkaliumspiegeln unter 5 mmol/l kein Nachteil der Aliskiren-Behandlung. Lagen die Serumkaliumspiegel jedoch über 5 mmol/l, so kam es zu einer signifikanten Risikosteigerung um 44 %. Bemerkenswert war aber auch der Anstieg des Kaliums nach der Behandlung mit Aliskiren. So nahm der Anteil der Patienten mit Kaliumspiegeln zwischen 5,5 und 6,0 mmol/l unter Aliskiren vs. Placebo von 16 auf 21 % zu. Und für Werte oberhalb von 6,0 mmol/l wurde ein Zuwachs von 5,6 auf 8,8 % verzeichnet.

Mehr Schlaganfälle in der Verumgruppe

Als problematisch wurde ferner der Anstieg der Schlaganfallhäufigkeit unter Aliskiren gesehen. Gegenüber Placebo stieg die Ereignisrate von 2,8 auf 3,4 %. Der Unterschied blieb aber mit einem p-Wert von 0,07 noch unterhalb der statistischen Nachweisgrenze.

Insgesamt, so resümierte Parving, sprechen die Ergebnisse der ALTITUDE-Studie keineswegs für einen Einsatz von Aliskiren zusätzlich zur Standardtherapie mit ACE-Hemmern oder ARBs bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und einem hohen Risiko für kardiovaskuläre und renale Ereignisse. Der zusätzliche Einsatz von Aliskiren bei diesen Patienten könnte im Gegenteil sogar schädlich sein.

Referenzen

Referenzen

    14th Meeting of the European Society of Cardiology (ESC). 25. – 29. August, München. Hot Line 1: Late Breaking Trials on Prevention to Heart Failure, 26.08.2012

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