Tofacinitib oder Adalimumab versus Placebo bei Rheumatoider Arthritis

Ute Eppinger | 12. August 2012

Autoren und Interessenskonflikte

Gleich zwei Placebo-kontrollierte Studien im „New England Journal of Medicine“ weisen die Effektivität des oral verabreichten Januskinase-Inhibitors (JAK) Tofacitinib in der Therapie der Rheumatoiden Arthritis (RA) nach. Es handelt sich um die Studien von Dr. Ronald F. van Vollenhoven vom Karolinska Institut in Stockholm und von Dr. Roy Fleischmann vom Metroplex Clinical Research Center in Dallas.

Tofacitinib vs. Adalimumab

Das Team um Van Vollenhoven kombinierte in der ORAL Standard-Studie Tofacitinib oder den TNF-Blocker Adalimumab oder Placebo mit Methotrexat (MTX), das als Monotherapie bei den 717 Studienteilnehmern zuvor keine ausreichende Wirkung erzielt hatte. Für die Phase-3-Studie wurden die Probanden in vier Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe erhielt 5 mg Tofacinitib zweimal täglich, die zweite Gruppe erhielt 10 mg Tofacinitib zwei mal täglich, die dritte Gruppe bekam alle zwei Wochen auf einmal 40 mg Adalimumab und die vierte Gruppe erhielt ein Placebo.

Ab dem dritten Monat erhielten die Patienten der Placebo-Gruppe, die keine 20%ige Reduktion seit Studienbeginn in der Zahl der geschwollenen und empfindlichen Gelenke aufwiesen, 5 mg oder 10 mg Tofacinitib zweimal täglich. Ab dem 6. Monat erhielten alle Probanden der Placebo-Gruppe im Blindverfahren jeweils 5 mg oder 10 mg Tofacinitib zweimal täglich.

Die Autoren legten drei primäre Endpunkte für den Studienverlauf fest. Einmal eine Reduktion des Gelenkbefalls um 20 % auf der Skala des American College of Rheumatology (ACR 20) während Monat 6. Eine Verbesserung des Health Assessment Questionnaire-Disability Index HAQ-DI (er misst die körperliche Funktionsfähigkeit) und schließlich ein Krankheits-Aktivitäts-Score DAS28-4(ESR) kleiner 2,6 (er berücksichtigt neben den Symptomen auch die Blutsenkungsgeschwindigkeit).

Nach 6 Monaten lagen die Verbesserungsraten auf der ACR 20-Skala jener Patienten höher, die 5 mg oder 10 mg Tofacinitib erhalten hatten (51,5% und 52,6%). Bei den Probanden, die Adalimumab bekommen hatten, lag die Verbesserungsrate bei 47,2% und bei den Studienteilnehmern, die Placebo erhalten hatten, lag die Rate bei 28,3% (bei allen Vergleichen war p < 0.001).

Die Überlegenheit der medikamentösen Therapie gegenüber Placebo spiegelten auch der Health Assessment Questionnaire-Disability Index und der Krankheits-Aktivitäts-Score (DAS) wider. Im HAQ-DI zeigten sich nach drei Monaten größere Verbesserungen und beim DAS lag ein höherer Prozentsatz der Probanden nach 6 Monaten unter 2,6 Punkten als in der Placebo-Gruppe.

Allerdings zeigten sich mehr unerwünschte Ereignisse unter der Tofacinitib als unter Placebo. Eine pulmonäre Tuberkulose entwickelte sich bei zwei Probanden aus der Tofacinitib-Gruppe, die 10 mg erhalten hatte. Tofacinitib wird außerdem mit einem Anstieg des LDL- und des HDL-Cholesterins und mit einer Verringerung der neutrophilen Granulozyten in Verbindung gebracht.

Tofacinitib vs. Placebo

Tofacinitib reduziert bei RA die Symptome deutlich und stärkt die körperliche Verfassung. Das legen die Ergebnisse der ORAL Solo Studie  von  Dr. Roy Fleischmann und seiner Studiengruppe nahe. Die Placebo-kontrollierte, doppelblinde  Phase-3-Studie war auf 6 Monate angelegt, 611 Patienten nahmen daran teil und wurden vier Gruppen zugewiesen. Die erste Gruppe erhielt zweimal täglich 5 mg, die zweite Gruppe 10 mg Tofacinitib. Die dritte Gruppe erhielt 3 Monate lang ein Placebo, danach 5 mg Tofacinitib zweimal täglich, und die vierte Gruppe erhielt ebenfalls 3 Monate Placebo, dann aber im Anschluss 10 mg Tofacinitib zweimal am Tag.

Als primäre Endpunkte nach 3 Monaten wurde erhoben, wie groß der Anteil von Patienten mit 20 % Verbesserungen nach der ACR 20 Skala des American College of Rheumatology war, welche Veränderung der Ausgangswerte im Health Assessment Questionnaire-Disability Index (HAQ-DI) zeigten und wie hoch der Prozentsatz von Patienten mit einem Krankheits-Aktivitäts-Score (DAS) von weniger als 2,6 war.

Nach 3 Monaten erreichte ein höherer Prozentsatz von Patienten unter  Tofacitinib-Therapie als in der Placebo-Gruppe die ACR-Kriterien (59,8% in der 5 mg Tofacitinib-Gruppe und 65,7% in der 10 mg Tofacitinib-Gruppe vs. 26,7% in den kombinierten Placebo-Gruppen, p < 0.001 in beiden Vergleichen). Der Rückgang im HAQ-DI war in den 5 mg und 10 mg Tofacitinib-Gruppen größer als in den Placebo-Gruppen (-0,50 und – 0,57 vs. – 0,19; p < 0.001). Der Prozentsatz der Patienten mit einem DAS von weniger als 2,6 war nicht signifikant höher unter Tofacitinib als unter Placebo (5,6 % und 8,7 % in der 5 mg und der 10 mg Tofacitinib-Gruppe und 4,4 % mit Placebo; p = 0.62 und p = 0.10 für beide Vergleiche). Gravierende Infektionen unter Tofacitinib entwickelten sich bei 6 Patienten. Hinzu kamen unerwünschte Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen und Infektionen der unteren Atemwege. Unter der Tofacitinib-Therapie wurden ein Anstieg des LDL-Cholesterins und eine Neutropenie beobachtet.

Tofacitinib in beiden Studien wirksam  

In allen Endpunkten erzielte Tofacitinib in der Studie von van Vollenhoven eine vergleichbare Wirkung wie Adalimumab. In der Fleischmann-Studie war Tofacitinib der Placebobehandlung überlegen. Die Behandlungsdauer von 6 Monaten reichte allerdings nicht aus, um den Einfluss auf die radiologischen Gelenkveränderungen zu beurteilen. Ein langfristiger Nutzen, wie er für DMAID und Biologika belegt ist, wird hier in der Regel erst nach 1 bis 2 Jahren sichtbar.

Neuer Ansatz Januskinase-Inhibition

In seinem Kommentar bewertet Dr. David A. Fox (Department of Rheumatology, Michigan University, Ann Arbor/USA) die Januskinase-Inhibition und mithin Tofacinitib als neuen Ansatz in der Therapie der Rheumatoiden Arthritis. Sollte das Mittel von der amerikanischen Arzneimittelbehörde, der Food and Drug Administration (FDA), die Zulassung für die Anwendung bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) erhalten, sähen sich Kliniker gleichwohl mit zahlreichen komplexen Fragen konfrontiert, so Fox.  Etwa, zu welchem Zweck diese Kinase-Art überhaupt eingesetzt wird? Wie effektiv ist Tofacitinib im Vergleich zu anderen bewährten Mitteln, die zur Behandlung der RA eingesetzt werden? Welche Sicherheitsbelange müssen im Blick behalten werden? Auf welche Art und Weise sollte die JAK-Inhibition mit anderen Medikamenten kombiniert werden? Außerdem dürften die Gesundheitssysteme an der Kosten-Nutzen Balance von Tofacitinib sehr interessiert sein.

Im Gegensatz zu anderen modernen Arzneimitteln zur Therapie der Rheumatoiden Arthritis, die gegen extrazelluläre Ziele wie proinflammatorische Zytokine gerichtet sind, weist Tofacitinib ein neuartiges Wirkprinzip auf: Es hemmt verschiedene Janus-Kinasen (JAK). Zur FAK-Familie gehören die vier Tyrosin-Kinasen JAK 1, JAK 2, JAK 3 und die Tyrosin-Kinase 2 (TYK2).  JAK werden vor allem in Abwehrzellen gebildet. Dort starten sie eine Signalkette, die die Immunabwehr aktiviert. Wie wichtig JAKs  für das Immunsystem sind, zeigt sich in seltenen angeborenen Erkrankungen, in denen Mutationen die Enzyme lebenslang ausschalten. Eine schwere angeborene Immunschwäche ist die Folge davon. Ziel einer Therapie mit JAK-Inhibitoren wie Tofacitinib ist nun ebenfalls, eine Immunschwäche herbei zu führen. Allerdings eine, die sich möglichst auf die Autoimmunreaktion beschränkt.

Die Substanz, die jetzt als Tofacitinib bekannt ist, wurde erstmals 2003 beschrieben – als spezifischer Inhibitor von JAK 3, der die Abstoßung allogener Transplantate verhindern kann.  Laut einem neueren Erklärungsmodell soll er allerdings JAK 1 und JAK 3 hemmen. Phase-3-Studien mit Tofacitinib zur Therapie der Rheumatoiden Arthritis basieren teilweise auf Wirkungen des JAK-Inhibitors, wie man sie von RA-Tiermodellen und aus Phase-2-Studien kenne, so Fox. Sowohl van Vollenhoven  als auch Fleischmann untersuchten den Einsatz von Tofacitinib an Patienten mit Rheumatoider Arthritis, bei denen der Einsatz anderer krankheitsmodifizierender Medikamente keine Besserung bewirkt hatte.  Beide Studiengruppen rekrutierten erfolgreich RA-Patienten mit sehr hoher Krankheitsaktivität, erklärt Fox.  

Nutzen- und Schadenspotential noch nicht völlig geklärt

Klinisch bedeutsame Verbesserungen ergaben sich nach Ansicht des Kommentators in beiden Studien. Allerdings waren beide nicht dazu konzipiert, die Effektivtät der Kinase-Inhibition mit der der TNF-Blockade zu vergleichen, stellt Fox klar. Die 6-Monats-Studie reichte aber aus, um klinisch relevante Antworten abschätzen zu können. Die Kombination von Methotrexat und einem TNF-Hemmer hält die Progression eines im Röntgenbild erkennbaren Schadens bei den meisten RA-Patienten auf. Ob die Kombination von Methotrexat und Tofacitinib ähnlich effektiv sein wird, gilt es noch zu klären, mahnte Fox an.

In Anbetracht der entscheidenden Rolle, die die JAKs in der Signalübertragung bei Immunantworten und anderen physiologischen Prozessen spielen, müsse man sich natürlich ebenso mit ihren potenziell toxischen Auswirkungen befassen, merkt Fox an. Zu den gravierenden Nebenwirkungen von Tofacitinib zählen schwerwiegende Infektionen wie Tuberkulose. Ebenso wurde eine Erhöhung der Aminotransferasen, des LDL-Cholesterins, des HDL-Cholesterins sowie eine Neutropenie nachgewiesen. Diese Nachteile erinnerten an ähnliche toxische Effekte unter der Behandlung der RA mit Tocilizumab - dem monoklonalen Antikörper gegen den Interleukin-6-Rezeptor, so Fox.

Die Signale des Interleukin-6-Rezeptors durch den JAK-STAT Signalweg und Aktionen von Interleukin-6 sind hochrelevant für die Pathogenese der Rheumatoiden Arthritis. Gegenwärtige Daten charakterisieren den Interleukin-6-Rezeptor als wichtigen Angriffsort für Tofacitinib, doch man geht davon aus, dass auch andere Zytokin-Rezeptoren beteiligt sind. So könnte Tofacitinib sowohl einzigartige Vorteile als eben auch diverse, nicht zu vernachlässigende Risiken in sich tragen, schreibt Fox.

Schuld an Autoimmunerkrankungen ?

Der Einsatz von Biologika zur RA-Therapie wird mitunter mit dem unerwarteten Aufkommen neuer Autoimmunsyndrome gebracht. TNF-Hemmer beispielsweise können Syndrome wie Lupus erythematodes oder solche, die auf Demyelinisierungen zurückgehen, hervorrufen. Lasse die JAK-Hemmung ähnliches erwarten, fragt Fox. Ein Bericht über die Verschlimmerung einer experimentell an Mäusen induzierten Autoimmunenzephalitis unter Tofacitinib deutet an, dass Wachsamkeit vonnöten ist und der klinische Nutzen von Tofacitinib an Patienten mit RA nicht einfach ohne sorgfältig kontrollierte klinische Studien hochgerechnet werden dürfe, so Fox.

Der klare Erfolg der JAK-Hemmung, wenn sich denn eine langanhaltende Wirkung bestätigen sollte, bedeute einen wichtigen therapeutischen Fortschritt. Berücksichtigt man, dass derzeit neun von der FDA zugelassene Biologika für RA-Patienten einsatzfähig sind, und zählt man dann noch den Bereich der effektiven konventionellen krankheitsmodifizierenden Medikamente dazu, dann sei die klinische Situation, in der ein Kinase-Hemmer zum Einsatz kommen sollte, noch nicht klar, schreibt Fox. Ein besseres Verständnis des Sicherheitsprofils von Tofacitinib dürfte die Abwägung für oder gegen das Mittel erleichtern.

Wie Prof. Klaus Krüger, Leiter der Abteilung Pharmakologie bei der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) gegenüber medscape erklärt, liege zu Tofacitinib noch keine offizielle Einschätzung vor, weil das Mittel noch nicht zugelassen ist. Denn erst nach der Zulassung erstellt die DGRh Empfehlungen zum Einsatz. „ Nach überwiegender Meinung der meisten Rheumatologen handelt es sich bei Tofacitinib weder um ein Basistherapeutikum im klassischen Sinne (wie z.B. Methotrexat),  noch um ein Biologikum. Die Inhibitoren intrazellulärer Signalwege, zu denen die Substanz zählt, sind wohl als eine neue Wirkstoffklasse zu betrachten“.

Nett, es zu haben, oder notwendig?

„Sicherlich benötigen wir generell weitere wirksame Substanzen, da mit dem verfügbaren Armamentarium zwar sehr viele, aber nicht alle Patienten gut eingestellt sind“, führt Krüger weiter aus. Allerdings werde der tatsächliche Stellenwert und Platz im Therapie-Algorithmus erst nach Erprobung in der Praxis zu bestimmen sein.

„Aufgrund der Studienlage ist sicherlich davon auszugehen, dass es sich um wirksame krankheitsmodulierende Substanzen handelt, möglicherweise ähnlich wirksam wie die TNF-Inhibitoren“. Letzteres sei aber, schränkt Krüger ein, in aller Vorsicht geschätzt, denn es gebe bisher keinerlei Langzeiterfahrungen. „Wie gut die Blockierung der radiologischen Progression über sechs Monate hinaus funktioniert, das ist auch nicht durch Daten belegt.“

Als Vorteil gegenüber den Biologika erweise sich sicher die orale Verfügbarkeit, so Krüger. Als Nachteil könne sich mittelfristig ein anders geartetes Nebenwirkungsspektrum erweisen: „Aber hier fehlt für die zuverlässige Einschätzung noch der breite Einsatz in der Praxis.“ Bisher, so Krüger, sei jedoch nicht erkennbar, dass Tofacitinib besonders gefährlich wäre. „Die Meldung von einzelnen Todesfällen in der Frühphase der Anwendung wird immer enorm hoch bewertet, ohne dass dabei zunächst mal die Ursache dieser Todesfälle genauer angesehen wird. Auch ein tödlicher Verkehrsunfall bei einem Tofacitinib-Patienten werde z.B. zunächst einmal als Todesfall unter Tofacitinib-Therapie gemeldet. „Ob tatsächlich vermehrt Todesfälle auftreten, die durch diese Substanz bedingt sind, wird man wohl erst in einigen Jahren wissen.“

Referenzen

Referenzen

    NEJM 2012;367(6):508 – 519
    NEJM 2012;367(6):497-507
    NEJM 2012;367(6):565-567

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