Lungenentzündung für Diabetiker besonders gefährlich

Andrea S. Klahre | 7. August 2012

Autoren und Interessenskonflikte

Es gibt Volkskrankheiten, die zunächst übersehen werden, dann aber infolge der Veröffentlichung umfangreicher Forschungsergebnisse zumindest temporär in den Fokus rücken. Das sind exakt die Konstellationen, die die Diskussionen um klinisches Qualitätsmanagement einmal mehr befeuern.

Die Ambulant Erworbene Pneumonie (AEP oder Community Acquired Pneumonia, CAP) gehört zu diesen lange Zeit kaum wahrgenommenen Diagnosen. Dabei ist sie die häufigste registrierte Infektion weltweit [1]. In Deutschland wird die Inzidenz auf 400.000 bis 600.000 Patienten pro Jahr geschätzt, wenn man eine Hospitalisierungsrate von 30-50% zugrunde legt [2]. Etwa 200.000 Patienten werden stationär behandelt [3]. Die Letalität liegt im ambulanten Bereich bei 0,6% oder bei 3 von 358 Patienten und ist somit gering. Sie steigt indes bei stationären Behandlungen deutlich an: Die Daten der externen stationären Qualitätssicherung in Deutschland, die von der Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung (BQS, Hamburg/Düsseldorf) erhoben werden, weisen 13,7 bis 14,4 % aus und zeigen eine signifikante Altersabhängigkeit [4]. Und: Bis zu 25 % der AEP-Patienten sind Diabetiker [5].

Den damit verbundenen Fragen zu Diagnostik, Therapie und Management widmet sich seit einigen Jahren das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Kompetenznetz Ambulant Erworbene Pneumonie (CAPNETZ) im Rahmen der Auswertung einer multizentrischen Kohorten-Studie mit 6.891 Patienten, die zwischen 2003 und 2009 wegen einer AEP Kliniken und Praxen in Deutschland, Österreich und der Schweiz aufgesucht haben.

Im Mai dieses Jahres wurden im British Medical Journal die Ergebnisse zu der Fragestellung veröffentlicht, ob eine Dysglykämie bzw. ein (Prä-)Diabetes ein Prädiktor für Komplikationen und Tod bei stationär aufgenommenen AEP-Patienten darstellt [6].

Die Antwort war ein Klares Ja. Eine ambulant erworbene Lungenentzündung ist schon für Patienten mit milder akuter Hyperglykämie und ohne bestehenden Diabetes mellitus signifikant lebensgefährlicher als für Menschen mit normalen Serum-Glukosespiegeln (4-5,99 mmol/L).

Das Risiko, innerhalb von 90 Tagen nach Aufnahme in ein Krankenhaus zu versterben, war für Patienten mit Glukosekonzentrationen 6-10,99 mmol/L fast um das Dreifache (HR=2,89 - 95% CI: 2,27-3,69; p<0,001). Die HR erhöhte sich auf 4,01 (95% CI: 2,78-5,81) bei 11-13,99 mmol/L, und auf 6,04 (95% CI: 4,18-8,74), wenn die Glukosekonzentration 14 mmol/L und mehr betrug.

Insgesamt verstarben 324 (4,7 %) Patienten innerhalb von 28 Tagen, 514 (7,5 %) innerhalb von 90 Tagen, und 648 (9,4 %) innerhalb von 180 Tagen. Die Gesamtmortalität an den Tagen 28, 90 und 180 war bei Diabetikern deutlich höher als bei Nicht-Diabetikern (Tag 90: 14,5 % vs. 6,1 %; HR= 2,47; 95% CI: 2,05-2,98; p <0,001).

Anlass genug für die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), in einer Mitteilung große wie kleine Krankenhäuser in die Pflicht zu nehmen und eine diabetologische Expertise auf hohem Niveau zu fordern [7]. Diabetespatienten gehören laut DDG in der Klinik grundsätzlich in zertifizierte Fachabteilungen, das gelte einmal mehr für jene Patienten, die zusätzlich schwer erkrankt seien und an einer Lungenentzündung, Herz-Kreislauf-, Gefäß- oder Nierenerkrankung litten.

„Unabhängig davon, ob ein Diabetes zuvor bekannt ist, deuten die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass eine differenzierte Behandlung des Blutzuckerstoffwechsels bei Patienten mit schwerer Lungenentzündung Leben rettet“, wird der DDG-Präsident Prof. Dr. med. Stephan Matthaei, Leiter des Diabetes-Zentrums am Christlichen Krankenhaus Quakenbrück, zitiert.

Wie stark der Serum-Glukosespiegel bei AEP-Patienten gesenkt werden muss, um die Sterblichkeit zu vermindern, ist noch nicht hinreichend untersucht. Eine aggressive Senkung führt mitunter zu Unterzuckerung und den damit verbundenen Komplikationen. Stattdessen ist es besonders wichtig, den Blutzucker mit viel Fingerspitzengefühl zu regulieren.

Referenzen

Referenzen

  1. Lopez AD, Murray CC: The global burden of disease, 1990-2020. Nat Med 1998;4:1241-1243
  2. AWMF online – S3-Leitlinie: Tiefe Atemwegsinfektionen / Pneumonie. Nr. 82/001, Stand: 01.07.2009, gültig bis 01.12.2012
  3. Bauer TT, Ewig S, Marre R, Suttorp N, Welte T: CRB-65 predicts death from community-acquired pneumonia. J Intern Med 2006;260:93-101(2c)
  4. BQS: BQS-Qualitätsreport 2007 http://www.bqs-qualitaetsreport.de/2007/grundlagen/verfahren/bqs_ggmbh
  5. Abourizk NN, Vora CK, Verma PK: Inpatient diabetology. The new frontier. J Gen Intern Med 2004;19(5 Pt 1):466-71
  6. Lepper PM et al.: Serum glucose levels for predicting death in patients admitted to hospital for community acquired pneumonia: prospective cohort study. BMJ 2012;344:e339. doi: 10.1136/bmj.e3397 (Published 29 May 2012)
  7. DDG: Lungenentzündung bei Diabetikern häufig tödlich. Deutsche Diabetes Gesellschaft fordert Expertise in Kliniken. 11.06.2012

Autoren und Interessenskonflikte

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